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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten
Autoren: Verena Roßbacher
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Snozzi brachte von hinten aus der Küche einen Teller mit gebutterten Zopfscheiben und ein Glas Quittengelee, Kaffee in einer Kanne und diese ungeheuer bauchigen Tassen und nahm das Tablett mit dem schmutzigen Geschirr mit.
    Sydow nahm sich eine Scheibe Zopf und löffelte großzügig Gelee drauf. Er schob ihr das Einmachglas hin, und du, Omi? Frisch onduliert?
    Frau Sydow schenkte Kaffee ein. Das nennt man glaube ich gar nicht mehr so, sie stellte die Kanne ab, aber wie man heutzutage dazu sagt, weiß ich auch wieder nicht.
    Keine Ahnung, sagte er, aber sieht flott aus, er verteilte das Gelee akribisch bis an den äußersten Brotrand, adrett, piekfein, schnieke, Omi, du bist ein heißer Feger, sie schlug ihm leicht mit dem Handrücken an die Wange, er duckte sich, Lümmel, sagte er, Flegel, er fing ihre Hand ab, rück den Zucker rüber, kesse Mieze, schnurrte er, er zog die Kaffeetasse zu sich. Er warf vier Stück Zucker in seinen Kaffee, diese ungeheuer bauchigen Tassen, sie hatten epidemisch das gesamte Café in ihrem Griff, auf manchen stampften Mädchen mit geschürzten Röcken und strammen Waden in Zubern voller Trauben, dann wieder zog ein knochiger Ochs einen Karren mit Heu, immer im Tassenrund herum, es war für die Katz, aber was sollte er machen. Heute, Frederik hielt sich seine Tasse vors Gesicht, heute trug auf seiner Tasse ein gebückter Sämann einen verbeulten Schlapphut und säte irgendwas, dem Sonnenuntergang entgegen.
    Seine Oma rührte sich Zucker und Milch in den Kaffee, er hob ihre Tasse hoch, derselbe Mann, er hatte seinen Hut abgelegt und sich umgezogen, er erkannte ihn aber trotzdem, senste ein wogendes Getreidefeld. Seine Oma sagte, es seien provencalische Motive, er stellte die Tasse zurück, biss von seinem Brot und sagte, die Hässlichkeit hat also einen Namen. Es waren ungeheuer bauchige und ungeheuer hässliche Tassen, und, sagte er zu seiner Oma, wenn die Hässlichkeit auch ein Gesicht hat, dann sicher ein provencalisches.
    Jaja, sagte sie.
    Und, sagte er, sie malt ihr Konterfei auf Tassen und Teller, wenn keiner hinguckt.
    Ja, sagte sie, wenn man das so betrachten will, sie schnitt ihren Zopf in schmale Streifen, nahm sich einen davon. Hast du schlechte Laune, Frau Sydow schob ihm die Zopfstreifen zu, er steckte sich einen um den anderen davon in den Mund.
    Nein, sagte er, das nennt man provencalische Motive.
    Ich meine deine Laune, hast du schlechte Laune.
    Eben, das nennt man provencalische Motive.
    Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen.
    Keine Laus, sagte er, in meinem Inneren sieht es exakt so aus wie auf den bauchigen Tassen, sagte er, mir ist ein französisches Bauernmädel mit dicken Waden über die Leber gelaufen, trampelt dort herum.
    Das französische Bauernmädel denkt, meine Leber sei ein Zuber voller Trauben, trampelt drauf herum. Sie denkt, wenn sie lange genug darauf herumtrampelt, wird was draus. Sie denkt, dann tröpfelt der junge Wein aus mir heraus, sie denkt, sie kann aus allem Wein herausholen, einfach weil sie jung und stramm ist. Sie denkt das einfach, ich weiß nicht, warum. In meinem Inneren karrt ein knochiger Ochse Heu herum, immer rundherum, das hat überhaupt keinen Sinn. In meinem Inneren zieht sich der Sämann zum Pflügen und Dreschen eine andere Hose an, aber ich erkenne trotzdem, dass es immer derselbe ist. Dieses zermürbte Gesicht vergisst man nicht. Es ist immer derselbe. Es ist ein Einmannbetrieb, mich kann man nicht täuschen, er kann sich nicht mal Angestellte leisten. Immerhin drei verschiedene Hosen, das ist schon was. In meinem Inneren ist das schon was.
    Brauchst du Geld? Frau Sydow nestelte –
    Nestle nicht, sagte er. Er hielt ihre Hand fest, steckte ihr das Portemonnaie wieder zurück in die Schürze, ich glaube, man nestelt nicht mehr. Keine Ahnung, wie man das heutzutage nennt, im Seminar für Allerneueste Deutsche Literatur haben wir das noch nicht gelernt. Wir kommen den Büchern einfach nicht mehr hinterher. Wir sind ein Verein mit lauter Hinkebeinen. Und lass gut sein, Omi, ich brauch kein Geld.
    Wenn du aber doch ein Paar Hosen brauchst, sie kramte wieder in ihrer Schürze, holte das Portemonnaie –
    Auch gekramt wird nicht mehr, er nahm ihre Hand in die seinen, tätschelte sie ein bisschen, ich weiß auch nicht, wie man das alles nennt, du und ich, Omi, wir nesteln und kramen, du bist flott und ich ein Flegel und wenn uns ein Zopfbrot mit Marmelade runterfällt, sagen wir – er schaute sie erwartungsvoll an.
    Hoppala? Seine
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