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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten
Autoren: Verena Roßbacher
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bin und das kleine Café wegen hartnäckiger Gerüchte im Umlauf so ekelig proppenvoll ist.
    Die armen Frauen, sie fragen sich, von wem sollen wir die Kinder kriegen, von den Experten?
    Die Experten, sie haben keine Zeit, sie müssen in ihren Forschungszentren forschen oder finden, da sie immer diese nicht optischen Chemiebrillen tragen vom Experimentieren, nicht einmal den Weg in die Wälder, um neue Expertisen anzustellen. Sie wollen in die Wälder und landen in der Mensa. Sie landen dann einfach immer in der Mensa. Sie schauen, mit den nicht optischen Chemiebrillen und der vermeintlichen Konzentriertheit der Kurzsichtigen, in die Kuchenvitrinen in ihrer Expertenmensa, sehen Schokoladenkuchen und denken aber, es sind die Kinder von Männern, die sich mit Rehen paarten, wundern sich. Und die Verkehrsbetriebe rotten uns mit ihren eigenen Mitteln aus. Niemand kann sich irgendwas erklären. Die Frauen nicht, sie suchen ihre Männer an den total falschen Orten, die Männer nicht, sie wundern sich über die komischen Geräusche ihrer Frauen beim Kindermachen, die Rehe nicht, sie verstehen die faunische Welt nicht mehr, die Vorsitzenden nicht, ihre Fahrzeuge machen, was sie wollen, die Kinder nicht, sie sind viel zu wenige, um sich zum Nachdenken in sogenannten Thinktanks zusammenzutun, die Experten in den Mensen stellen Mutmaßungen an über die Entwicklungen dieser neuen Spezies in diesen Inkubatoren, aber da entwickelt sich nichts. Es werden durch falsch gestreute Gerüchte (bester Kuchen der Stadt) nur immer weniger, darum gefallen sie sich in der Formulierung zahlloser Syllogismen. Busse brennen aus, weil sie vermutlich Feuer gefangen haben. Pendler fallen aus fahrenden Schnellzügen, weil sich mit großer Wahrscheinlichkeit die Türen geöffnet haben.
    Seltsame Welt, sagte Sydow. Die Frauen würden mich übrigens, so sie meiner in dem proppenvollen Café doch irgendwann zufällig ansichtig würden, gar nicht als Mensch, Mann und potenziellen Kindsvater erkennen, sie würden mich wegen des kolossalen Schals mit einer wandelnden Garnrolle verwechseln. Mit einem Strickstrumpf. Denkt da irgendeine Frau auf der Welt ans Kindermachen? Nein, keine einzige. Im besten Fall denkt eine Frau da an ihre Oma, weil die so schön stricken kann.
    Apropos, er schaute nach seiner Oma aus, die so schön stricken konnte. Das war übrigens, falls jemand gerade nicht aufgepasst hat, das ist übrigens, sagte Sydow, die Probe aufs Exempel. Ich denke an mich und meine fehlende Frau. Dann denke ich an mich als Strickstrumpf und dann automatisch an meine Oma. Und genauso geht es den armen Frauen. Sie denken nicht sexuell, wenn sie mich sehen, sie denken nicht: ich eine Frau und du ein Mann, sie denken nicht einmal mütterlich in Abetracht der von mir zu erwartenden Kinder, nein, sie denken großmütterlich.
    Das war, dachte Sydow, der Geburtenrate vermutlich nicht förderlich.
    Er blätterte sich durch den weiteren Unsinn, war das vielleicht eine Faschingszeitung? Eine Faschingszeitung vor dem Fasching, damit es noch lustiger ist? Nein, keine Faschingszeitung und es war auch nicht noch lustiger, es war einfach eine seltsame Welt, er blätterte sich vor bis zur Seite der Deutsch-Französischen Freundschaft .
    Er las gerne die Seite der Deutsch-Französischen Freundschaft , immer umarmten sich auf der Seite der Deutsch-Französischen Freundschaft Deutsche und Franzosen im Namen der Freundschaft, immer wurden Rezepte ausgetauscht zwischen deutschen und französischen befreundeten Gourmets, immer behaupteten die Franzosen, das schlechte Wetter käme zu ihnen von Deutschland herüber und dass sie aber trotzdem Freunde blieben, immer betonten die Deutschen ihre eigene philosophische Schwermut, die bodenlose Tiefgründigkeit, die Fähigkeit zur metaphysischen Transzendenz und dem allem grell widersprechend der Franzosen Hang zu Schi-Schi und Tandaradei, was aber der gegenseitigen Freundschaft keinen Abbruch tue, hätten sie, die Franzosen, doch das Herz am rechten Fleck. Wo – ungewiss. Nichts für ungut, Freundschaft!
    Heute umarmten sich auf einem halbseitigen Bild die beiden Kanzler, sie waren gute Freunde.
    Sydow sah sofort, dass das Bild montiert war, seit François Hollande wars aus mit der Freundschaft, ein frostiger Händedruck, mehr war von Merkel nicht zu erwarten. Na egal.
    Das Pariser Naturkundemuseum gab in einem Nachruf den Tod der Riesenschildkröte Kiki bekannt, sie war vor drei Tagen im Alter von 146 Jahren verschieden.
    Kiki war,
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