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Schwaben-Zorn

Titel: Schwaben-Zorn
Autoren: Klaus Wanninger
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wie ein Karussell an ihr vorbei. Sie taumelte, klammerte sich am Türrahmen fest, hatte Mühe Halt zu finden. Die Katze verfolgte ihre Anstrengungen mit starrer Miene; sie saß im Eck hinter dem Bett, äugte gebannt zu ihr hoch.
    Nach einigen Minuten hatte sie es geschafft: Das Karussell war zur Ruhe gekommen, setzte sich nur noch ab und an für wenige Sekunden wieder in Bewegung.
    Lisa schob die Tür zum Nachbarraum zurück, warf einen Blick in das Zimmer. Die Spuren der nächtlichen Durchsuchung waren nicht zu übersehen. Herausgerissene Schubladen, auf den Boden verstreute Manuskript-Blätter, umgestürzte Aktenordner. Wer immer dafür verantwortlich zeichnete, er hatte sich nicht mehr die Mühe gemacht, das von ihm verursachte Chaos zu verschleiern.
    Sie bückte sich nieder, nahm einige der Papiere in die Hand. Ein Schwindelanfall raubte ihr für einen Moment die Sicht, erinnerte sie an den Zustand, in dem sie sich befand. Sie legte die Papiere auf den Schreibtisch neben den Computer, stieg über die Aktenordner weg, schlich zur Diele. Die Tür zum Bad stand offen.
    Sie betrat den kleinen Raum, stellte sich vor den Spiegel. Das Monster, das ihr entgegenblickte, hatte geschwollene Wangen, dunkelbraune Flecken auf der Stirn, unnatürlich dicke Lippen.
    Lisa griff nach einem ihrer Handtücher, hielt es unter den Wasserhahn, bis es sich mit Wasser vollgesogen hatte, tastete dann vorsichtig die verletzten Partien ab. Die Schmerzen trieben ihr erneut Tränen in die Augen, kleine Tröpfchen perlten über die Wangen. Sie schnappte nach Luft, wartete, bis sich ihre Nerven wieder beruhigten, versuchte die Schwellung mit dem nassen Stoff zu besänftigen. Minutenlang verharrte sie vor dem Waschbecken. Die kühlende Wirkung des Tuches ließ sie langsam wieder zu sich finden.
    Sie begab sich in die Küche, suchte eine große Schüssel, füllte sie mit Wasser, setzte sich an den Tisch. Das Tuch wieder und wieder eintauchend, linderte sie die Folgen des Überfalls. Sie spürte, wie sie an neuer Lebensenergie gewann, war sich darüber im Klaren, dass sie die Verletzungen ohne Arzt bewältigen wollte. Ohne Arzt und ohne Polizei! Nicht schon wieder die gleichen unerträglichen Prozeduren.
    Wie lange sie so in der Küche gehockt hatte, konnte sie später nicht mehr erinnern. Sie war ununterbrochen damit beschäftigt, ihr schmerzendes Gesicht zu kühlen, erwachte erst wieder aus ihrer Trance, als sich Joschka schüchtern, aber mit unnachgiebiger Ausdauer an ihr Bein drückte.
    Lisa schob die Schüssel und das Handtuch von sich weg, ging zum Vorratsschrank, nahm eine der kleinen Dosen, öffnete sie. Mit extra feinem Fleisch und Thunfisch prangte in dicken Lettern auf dem Etikett. Sie füllte die Hälfte des Inhalts in den Napf, hatte Mühe, den kleinen Löffel zurückzuziehen, weil sich die Katze ohne jedes Zögern über das Futter hermachte. Joschka schleckte das Fleisch der Reihe nach ab, schaufelte es dann mit gierigen Bissen in sich hinein. Sein Schmatzen übertönte jedes andere Geräusch.
    Lisa spürte ebenfalls Hunger, kochte sich eine Gemüsebrühe, nahm ein Stück Brot dazu. Jede Mundbewegung schmerzte, Kauen war unmöglich. Sie legte das Brot zur Seite, begnügte sich mit der Suppe.
    * * *
    Langsam fühlte sie sich besser. Sie stand auf, trat ins Wohnzimmer, nahm einige der herumfliegenden Papiere zur Hand.
    Industriespionage – deutsche Firmen als Opfer der USA?
    Windenergietechnologie des 21. Jahrhunderts – in Deutschland konstruiert – von US-Geheimdiensten gestohlen – die Beweise.
    Botschaftsangehörige als Industriespione – welche Länder sind aktiv?
    Dazu seitenlange Ausführungen, detaillierte Erklärungen, Landkarten, die Namen bekannter Politiker. Gronau war offensichtlich bestens informiert, was die Geschäfte mit den schmutzigen Methoden anbelangte. So gut, dass bestimmte Leute an seinem Wissen interessiert waren. Nur an seinem Wissen?
    »Ich kann nicht ausschließen, dass es gefährlich sein kann, sich in meiner Wohnung aufzuhalten«, hatte er ihr vorgestern noch erklärt. »Ich arbeite an brisanten Untersuchungen. Du musst es dir gut überlegen, ob du mein Angebot annimmst.«
    »Du glaubst, es gibt Leute, die dir nachspionieren?«, hatte sie gefragt.
    »Ich bin mir sicher«, war seine Antwort gewesen, »das hat mit Glauben nichts zu tun. Dass sie mich beobachten, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«
    Sie betrachtete die Papiere, überflog die Texte. Sie beschrieben verschiedene Methoden, mit denen
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