Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwaben-Zorn

Titel: Schwaben-Zorn
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
geölten Schranktür. Jemand war dabei das Mobiliar zu durchsuchen. War Martin Gronau tatsächlich in seine Wohnung zurückgekehrt?
    Leise richtete Lisa sich auf, erhob sich vom Bett.
    * * *
    »Ich bin mit langwierigen Ermittlungen beschäftigt«, hatte er ihr vor einer knappen Woche erzählt, als sie sich zufällig im Café Schweickhardt mitten in der Stuttgarter Innenstadt getroffen hatten.
    »Immer noch in Sachen Spionage?«, hatte sie gefragt. Sie wusste von früher, dass er als Journalist arbeitete und sich auf Industriespionage spezialisiert hatte.
    »Immer noch«, war seine Antwort, »wenn du eine Chance haben willst, an die Hintermänner heranzukommen, brauchst du Zeit, viel Zeit. Nicht Monate, sondern Jahre. Und wenn es dir gelingen soll, wenigstens einen zu überführen und als Drahtzieher dieser Geschäfte zu entlarven, musst du dein halbes Leben investieren.«
    Schon im Studium war er übereifrig und wie besessen am Werk gewesen. Kein Schein, keine Seminararbeit, für die er nicht Wochen, manchmal gar Monate aufwendigster Nachforschungen investiert hatte. Kein Wunder, dass er sein Biologie-Diplom mit einer glatten Eins absolviert hatte und gleich von zwei verschiedenen Prüfern aufgefordert worden war, sein Studium mit der Promotion zu krönen. Gronau jedoch hatte es abgelehnt, Lisa erinnerte sich noch genau an die Enttäuschung der Heidelberger Professoren. Er hatte stattdessen ein Volontariat beim Norddeutschen Rundfunk in Hamburg absolviert – wie nicht anders zu erwarten, mit Erfolg. Wodurch sein Interesse am Journalismus ausgelöst worden war – sie hatte es nie erfahren.
    Jahre später, Gronau hatte längst eine Anstellung als Redakteur beim damaligen Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart gefunden und sich auf Industriespionage spezialisiert, waren ihre Kontakte abgebrochen – bis zu dem überraschenden Aufeinandertreffen vor einer Woche. Er hatte von zwei gescheiterten Ehen und seiner starken Beanspruchung als inzwischen frei arbeitender Journalist gesprochen, war deutlich gealtert, mit grauen Haaren und einer großflächig gewachsenen Glatze geziert.
    »Und du? Wie geht es dir?«, hatte er dann gefragt und, nach ihrem Zögern, aufgezählt, was er von ihr wusste. »Du bist an der Schule, verheiratet, ein Kind – ein Mädchen, wenn ich richtig erinnere?«
    Der Widerwille, über sich selbst zu sprechen, hatte sich kaum überwinden lassen. »Das ist vorbei.« Ihre Worte waren nur mit Mühe zu verstehen gewesen.
    »Geschieden?«
    Ihre Antwort hatte ihn eines Besseren belehrt. »Ein Unfall. Sie waren sofort tot.«
    Was sollte sie auch sonst sagen?
    Dass sie die Schule nicht mehr schaffte seit jenem Tag, den Anforderungen des Unterrichts nicht mehr gewachsen, stattdessen von Angst und depressiven Anfällen geplagt war, dass Albträume und Attacken in einer Kombination von Niedergeschlagenheit und Verzweiflung sie heimsuchten, wo immer sie sich aufhielt, was immer sie unternahm? Anna und Michael, ihre Tochter und ihr Lebensgefährte, existierten nicht mehr – was interessierte sie der Rest der Welt?
    »Du willst nicht darüber reden?«, hatte Gronau gefragt.
    Ihr Kopfschütteln war Antwort genug. Er hatte sich damit begnügt zu erfahren, dass sie für die nächsten drei Monate krankgeschrieben und krampfhaft damit beschäftigt war, den Schmerz zu überwinden und zu einem neuen Leben zu finden. Wie sie auf die Idee verfallen waren, dass sie während seiner Abwesenheit in seine Wohnung ziehen könne, wusste sie nicht mehr.
    »Du brauchst einen Tapetenwechsel«, hatte er irgendwann erklärt, »Stuttgart bietet mehr Abwechslung als dein kleines Dorf.«
    Das war ohne jeden Zweifel richtig. Das Leben in Walddorfhäslach brachte nicht viel mehr als die unablässige Erinnerung an Anna und Michael. Die Stunden, die Tage, die Jahre mit ihnen waren eingebrannt in jeden Winkel der Umgebung.
    »Meine Wohnung liegt zentral.«
    Von der Libanonstraße aus waren es nur wenige Minuten per Bus oder Stadtbahn ins Zentrum, selbst zu Fuß benötigte sie kaum mehr als eine Viertelstunde. Und Martin Gronau zeigte sich froh und dankbar darüber, dass er nicht schon wieder seine unfreundlichen Nachbarn um Hilfe bei der Versorgung seiner Katze angehen musste.
    * * *
    Das Quietschen der Schranktür im Nachbarzimmer riss Lisa aus ihren Gedanken. Sie tastete sich im Dunkeln durch den Raum, spürte an ihrem rechten Bein den weichen Körper der Katze, schob sich zur Tür vor. Genau in dem Moment, als sie sie erreicht hatte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher