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Schwaben-Rache

Schwaben-Rache

Titel: Schwaben-Rache
Autoren: Klaus Wanninger
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Hilfe war nirgends zu erwarten, sie musste sich ganz alleine durchkämpfen. Ihre Beine schmerzten, ihr linkes Knie knackte, offensichtlich war es von dem Sturz beschädigt. Sie hatte keine Zeit, darauf zu achten. Die beiden Bestien waren hinter ihr her. Neundorf hatte die erste Straßenlaterne gerade erreicht, als der Mann um die Ecke bog.
    »Dort vorne«, brüllte er, »nimm den Wagen!«
    Sie rannte, so schnell sie konnte, merkte jedoch, dass sich der Abstand zu ihren Verfolgern rapide verringerte. Die letzten Minuten hatten zu viel Kraft gekostet. Wenn ihr jetzt niemand begegnete, hatte sie verspielt. Die Häuser links und rechts lagen in tiefem Dunkel. Niemand schaute auf die Straße, keine Menschenseele ging spazieren, ausgerechnet an diesem Abend animierte der wolkenverhangene Himmel nur zum Stubenhocken.
    Neundorf spürte das Stechen in ihren Lungenflügeln, schnappte nach Luft. Drei- bis vierhundert Meter weiter befand sich die Haltestelle der Zahnradbahn, drei- bis vierhundert Meter, die sie im bisherigen Tempo auf keinen Fall mehr schaffen würde.
    Der Motor eines Wagens jaulte auf. Sie hörte das Quietschen von Bremsen, versuchte, dem Wunsch ihres Körpers, stehen zu bleiben und sich auf den Boden zu werfen, zu widerstehen. Sie hatte es weit gebracht, sich sehr teuer verkauft, immerhin.
    Die Männer wechselten einige Worte, dann kam das Auto näher. Ihre Kraft war am Ende.

39. Kapitel
    Irgendwann auf dem Weg nach Hause war es Braig eingefallen. Neundorfs beiläufige Worte, nachts auf dem Rückweg von Lauberg: »Heute Abend werde ich dem Kerl genauer auf die Finger sehen.«
    »Heute Abend? Wie meinst du das?«, hatte er gefragt.
    »Mitternacht ist vorbei, deswegen heute Abend. Breuninger ist verhindert, sein Haus leer.«
    Steffen Braig hatte eine Weile gebraucht, bis er begriffen hatte. »Mein Gott, mach bloß keine Dummheiten!«
    »Ich will wissen, ob der Kerl wirklich unsere Politik manipuliert mit seinem Club, verstehst du? Und außerdem, ob es Beweise gibt für den Mord an dem Kind.«
    »Du willst doch nicht in sein Haus?«
    »Es ist völlig harmlos«, hatte Neundorf ihn abgewimmelt. »Ich melde mich anschließend bei dir und erzähle dir, was ich entdeckt habe.« Nach einer Weile hatte sie noch hinzugefügt: »Wenn du nichts von mir hörst, hat er mich erwischt. Dann musst du mich retten vor dem bösen Mann.« Sie hatte gelacht und ihm auf die Schulter geklopft.
    Neundorf war zu allem fähig, das war Braig klar. Auch, dass sie in Breuningers Haus einbrechen würde, nur um Genaueres über das Treiben dieses Mannes zu erfahren. Ihr Draufgängertum hatte ihr bisher immer Erfolge gebracht, beruflich jedenfalls. War sie an einem ›Fall‹ interessiert, konnte sie eine Hartnäckigkeit an den Tag legen, die zeitweise beängstigende Ausmaße annahm. Schwäbische Sturheit vielleicht. Wenn sie sich heute Abend nur nicht zu etwas hinreißen ließ, das sie später bereuen musste.
    Als Braig sich wie üblich mit der Stadtbahn auf den Heimweg machte, fiel ihm die Anzeige der Zielrichtung ins Auge: »Degerloch«.
    Degerloch. Breuninger.
    Er lachte leise vor sich hin, schüttelte den Kopf. Warum er dennoch sitzen blieb und nicht wie gewohnt umstieg, konnte er später nicht mehr sagen. Er war müde, ausgelaugt, sehnte sich nach seinem Bett und gab trotzdem dem Wunsch nicht nach, die S-Bahn zu wechseln. War es die Befürchtung, in einem nach Knoblauch, Bier oder Schnaps stinkenden Treppenhaus der keifenden Gestalt Göckeles zu begegnen?
    Braig verließ die Stadtbahn mit zwei, drei anderen Fahrgästen und marschierte schnurstracks in die Richtung, in der er Breuningers Haus wusste. Am Zigarettenautomaten stand ein Mann in Ledermontur, den Helm auf dem Kopf, die Maschine mit laufendem Motor auf der Straße. Der Typ rüttelte an dem Automaten und hämmerte schimpfend mit seinen Fäusten dagegen. Braig grinste in sich hinein, verkniff sich aber einen dummen Spruch wie »na, heute gibt's kein Gift«, als eine völlig ausgelaugte Gestalt um die Ecke kam. Neundorf.
    Sie riss überrascht die Augen auf, sah Braig, das Motorrad, und dann ging alles blitzschnell. Sie zog ihn mit, sprang auf die Maschine, er hinterdrein, und raste los. Hiner ihnen bremste ein Auto wild, dann hörten sie das Gebrüll männlicher Stimmen, das vom Höllenfeuer des Motorrads jedoch augenblicklich geschluckt wurde.
    Neundorf jagte wie eine Verrückte durch die nächtlichen Vorstadtstraßen. Braig verstand überhaupt nichts, klammerte sich nur an ihr
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