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Schwaben-Messe

Schwaben-Messe

Titel: Schwaben-Messe
Autoren: Klaus Wanninger
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Gabriele Krauters. Gübler hatte darauf bestanden, das Blaulicht einzuschalten und die Hektik auf den ohnehin überfüllten Stadtrandstraßen Stuttgarts zu verschärfen.
    »Schön haben die es hier«, erklärte er, indem er auf die Äcker und Felder der Umgebung zeigte. Über eine großzügig ausgebaute Trassenführung hatten sie die Bundesstraße verlassen, diese unterquert und dann die weitläufigen landwirtschaftlichen Flächen erreicht. Goldgelbe Kornähren und ein fast unübersehbares Meer von kleinen, systematisch in Reih und Glied angeordneten Weißkrautköpfen prägten die Szenerie. Trotz der frühen Stunde flimmerte die Luft über den Feldern, die Temperaturen näherten sich jetzt schon hochsommerlichen Werten. Der Boden war staubtrocken, seit Tagen hatte es nicht geregnet. Braig sah, dass das Korn reif war, die Bauern standen wohl kurz vor der Ernte. Für das Weißkraut dagegen blieb ihnen noch Zeit. Die Köpfe mussten noch wachsen, waren klein, die Blätter noch zu locker gewickelt.
    Die Nutzfläche lag eben, nur sanft geneigt, von wenigen schmalen Heckenstreifen durchzogen. Einige der Bauern wohnten inmitten der Flur, in weitläufigen, modern hergerichteten Aussiedlerhöfen, die über eine schmale, geradlinig verlaufende asphaltierte Straße zu erreichen waren. Braig zählte sieben verschiedene Gehöfte. Begrenzt wurden die Ackerflächen auf beiden Seiten von zwei stark befahrenen Straßen, deren Lärmpegel je nach Windstärke mal sehr laut und dann wieder weniger stark zu vernehmen war. Hinter der Breitseite des Geländes erstreckte sich der Flughafen, dessen startende und landende Maschinen in kurzen Abständen über die Felder hinwegdonnerten.
    Gabriele Krauter, eine untersetzte, mittelgroße Frau Mitte dreißig, erwartete sie vor ihrem Hof. Sie trug ein graues T-Shirt und dunkelblaue Jeans, hatte ein schmales, von der Sonne gebräuntes Gesicht. Ihre hellblonden Haare reichten ihr, zu einem Pferdeschwanz gebunden, weit über die Schulter. Am linken Ohr prangte ein überdimensional großer, platinfarbener Ring.
    »Die Filderböden zählen zu den fruchtbarsten im ganzen Land«, erklärte sie, »unsere Erträge bestätigen es jedes Jahr.«
    Braig beobachtete die Frau, wie sie Gübler begrüßte, dann ihm selbst die Hand reichte. Er stellte sich vor, nickte ihr zu. Die Bäuerin verfügte über einen beeindruckend durchtrainierten Körper. Ihr Händedruck bestätigte, welche Kraft in ihr steckte. Trotzdem war nicht zu übersehen, dass sie nervös war. Unsicher zappelte sie hin und her.
    »Lössboden?«, fragte Braig. Sein Schädel dröhnte vor Schmerzen, die an Intensität ständig zunahmen. Gübler warf ihm einen zornigen Blick zu.
    »Richtig«, bestätigte Gabriele Krauter, »wir verfügen hier über eine mehrere Meter mächtige Lössschicht vom Ende der letzten Eiszeit. Fünfzehn- bis zwanzigtausend Jahre alt. Der Filder-Löss hat einen sehr hohen Tonanteil, sodass sich auf seiner obersten Schicht ständig Lehm bildet, der sogenannte Filder-Lehm. Diese Kombination führt zu unserer hohen Bodenqualität. Nach der offiziellen Bodenschätzung des Agrarministeriums, die alle Böden unter dem Gesichtspunkt ihrer Ertragsfähigkeit für Kultur-pflanzen erfasst, liegt die Filderkrume in der höchsten Stufe. Dies Land hier gehört zu den fruchtbarsten Anbauflächen in ganz Europa. Wir können weitgehend ohne Zusatz von künstlichen Düngemitteln arbeiten. Ein einzigartiger Luxus.«
    »Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Gübler und schüttelte unwillig seinen Kopf, »Sie haben es mir damals zur Genüge erzählt. Ich bin allerdings nicht gekommen, um mir wieder Ihre Vorträge anzuhören.«
    Braig wandte sich überrascht an seinen Vorgesetzten. »Sie kennen sich?«
    Gübler nickte beiläufig. »Wir hatten schon miteinander zu tun. Vor Ihrer Zeit beim Amt.«
    Vier Jahre waren es inzwischen. Braig hatte es nicht bereut, sich auf die Stelle in Stuttgart beworben zu haben. Zwar waren Güblers herrische Art, sein unübersehbares berufliches Unvermögen, der ehrenkäsige, schikanöse Umgang mit Kollegen und speziell mit Untergebenen fast nicht zu ertragen, doch für Braigs Privatleben bedeutete die Trennung von seinem früheren Wohn- und Arbeitsplatz in Mannheim Rettung in buchstäblich letzter Sekunde. Allzu lange hatte er es hinausgeschoben, sich von seiner Mutter abzulösen, sich ihrem auch den entlegensten Bereich seines Privatlebens überwachenden Einfluss zu entziehen. Trotz seines fortgeschrittenen Alters hatte er
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