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Schwaben-Liebe

Schwaben-Liebe

Titel: Schwaben-Liebe
Autoren: Klaus Wanninger
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Blick zugeworfen, sich dann schnell wieder abgewandt, damit der Staatsanwalt nicht auf ihn aufmerksam wurde. Auch den anderen hatte er schon oft gesehen. Ein steinreicher Unternehmer, der zu allem und jedem seine inhaltsleere Meinung verkündete, in sämtlichen Medien, auf unzähligen Bildern präsent. Zwei Vollidioten, wie die Natur sie schuf. Er hatte Ann-Katrins Hand gespürt, die ihn von der Gruppe wegschob, war von Dr. Genkingers laut schallender Stimme überrascht worden.
    »Ja, wenn selbst eine Überdosis Viagra keine Folgen mehr zeigt, dann legt Mann sich eben einen neuen XL oder ein Cabrio zu. Auf diese Klientel ist unsere Werbung bewusst ausgerichtet.« Auffallend gut gelaunt hatte der Tierarzt sein Glas gehoben und den beiden erfolgreichen Herren freundlich zugeprostet.
    Wenige Minuten später dann war Isis Bopfinger, eine kleine Glocke schwingend, mitten unter ihre Gäste getreten, hatte alle noch einmal herzlich begrüßt und sie um Aufmerksamkeit für das zentrale Anliegen des Abends gebeten. »Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste, ich möchte Ihnen heute Abend den neuen Kandidaten unserer Partei vorstellen, die große Hoffnung unserer Stadt. Er ist vielen durch seinen außergewöhnlichen beruflichen Erfolg längst bekannt, seine Tatkraft und sein Durchsetzungsvermögen sind legendär, aber er ist so bescheiden in seinem Auftreten, dass er seine erste öffentliche Präsentation heute sofort in den Dienst einer wunderbaren Sache stellen will: Dem grandiosen Waisenhausprojekt unseres Parteifreundes Thomas Bittler. Begrüßen Sie mit mir die neue große Hoffnung unserer Stadt, Herrn Staatsanwalt Söderhofer.«
    Braig hatte geglaubt, in einen besonders üblen Albtraum versunken zu sein. Ein katastrophales Erdbeben, ein gewaltiger Vulkanausbruch und der Einschlag eines gigantischen Meteoriten auf der Nordhalbkugel mussten vor wenigen Sekunden gleichzeitig erfolgt sein. Fehlte nur noch der kilometerhohe Tsunami, der von der Nordsee her ganz Deutschland mit seiner zerstörerischen Gewalt in die Knie zwang. Er hatte das verblüffte Gesicht seiner Partnerin entdeckt und sich krampfhaft an ihr festgeklammert, um nicht den Halt zu verlieren.
    Irgendwann, Minuten später, hatte er sich wieder imstande gesehen, den Worten des großen Hoffnungsträgers, der längst die kleine Bühne betreten hatte, zu folgen. Zum Glück war der Mann gerade dabei, seine Ausführungen zu beenden.
    »Nicht mehr länger die Schrillen, Verrückten, Abnormalen sollen unseren Alltag und unser Denken beherrschen, sondern diejenigen, die auf die echten Werte setzen, das ist mein Ziel. Anstand, Treue und Ehrlichkeit müssen wieder zu den Grundwerten unserer Gesellschaft werden. Menschen sollen sich wieder aufeinander verlassen können, Ehepartner einander vertrauen. Nicht der Lust, sondern der Pflicht den Vorrang geben, auch wenn das dem Zeitgeist widerspricht. Dem Partner treu bleiben, nicht ihn betrügen, der Familie ein festes Fundament schaffen, unseren Kindern eine frohe Kindheit und unserer Stadt eine lebenswerte Zukunft, davon träume ich, und dafür stehen ich und meine Frau.« Er hatte sich nach allen Seiten verneigt, war mit minutenlangem Beifall bedacht worden.
    Braig hatte verfolgt, wie Isis Bopfinger zu ihm getreten und ihm ein paar Worte ins Ohr geflüstert hatte. Söderhofer hatte zustimmend genickt, war dann erneut vor sein Publikum getreten und hatte es mit würdevollen Gesten zur Ruhe gebracht.
    »Wie ich soeben erfahre, steckt Frau Bittler, die uns heute über das wunderbare Projekt ihres Mannes informieren will, leider noch im Stau. Sie wird aber bald hier sein und hat darum gebeten, Ihnen vorab schon den Film zu zeigen. Den Film über ein grandioses Projekt, das ich Ihnen hiermit voll und ganz ans Herz legen will. Damit wollen wir jetzt beginnen.«
    Wie im Kino war das Licht sanft erloschen, von Armut und Verfall geprägte Siedlungen in einer der ärmsten Regionen der Ukraine waren überlebensgroß auf der Leinwand erschienen. Der Film war ohne Zweifel professionell gedreht. Er hatte das Schicksal obdachloser und sich selbst überlassener Kinder zum Inhalt, zeigte hungernde und kranke Gestalten, die nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen schienen, und präsentierte das Gegenmodell einer Gruppe engagierter Menschen aus dem Westen. Erfolgreiche Geschäftsleute und Politiker aus Deutschland hatten hunderttausende Euro investiert, um gestrandeten, jungen Existenzen eine neue Heimat aufzubauen.
    Das Gesicht
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