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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst
Autoren: Klaus Wanninger
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auch so schnell nicht vergessen. Uli bedeutet mir immer noch sehr viel, verstehen Sie?« Er machte eine kurze Pause, beantwortete dann Braigs Frage. »Sie fuhr frühmorgens am 4. Oktober hin, das war ein Mittwoch, ich weiß es noch genau. Eigentlich wollte sie bis zum Samstagabend, dem 7., dort arbeiten und in der Nacht auf Sonntag zurückkommen. Die Zugverbindungen vom Remstal nach Tübingen sind sehr gut, wissen Sie. Aber dann stand sie plötzlich am Samstagmorgen schon da. Was heißt sie. Das war nicht Uli, wie ich sie kenne, das war ein völlig anderer Mensch. Sie war nicht ansprechbar, wollte nichts mit uns zu tun haben, weder mit mir noch mit den anderen, verlor vollständig ihre Fassung, verdrückte sich in ihr Bett und heulte nur noch. Irgendetwas war passiert, ich weiß bis heute nicht, was. Seither ist es mit uns vorbei.«
    »Und Sie haben das gerade so hingenommen? Ich meine, sie war doch völlig verstört, so wie Sie es berichten – weshalb riefen Sie keinen Arzt?«
    »Keinen Arzt? Wer erzählt denn so einen Blödsinn? Wir müssen nicht erst nach einem Arzt rufen. Unsere Mitbewohnerin Stefanie Zierer ist im 9. Semester Medizin. Reicht Ihnen das? Uli wollte nichts von ihr wissen, sie war nicht einmal zu einem Gespräch bereit. Auch ein paar Tage später, als ich Stefanie bat, einen approbierten Kollegen zu holen, verweigerte sie die Zusammenarbeit. Sie können einem anderen Menschen ihre Hilfe nicht aufzwingen.«
    »Nein, das können wir nicht«, gab Braig zu. »Was ist mit der Familie von Frau Maier? Fand sie dort Unterstützung?«
    »Vergessen Sie’s«, antwortete Klein. »Ulis Mutter hockt ständig mit Freundinnen auf Mallorca oder sonst wo, die hat keine Zeit für ihre Tochter. Und ihr Vater, mein Gott, der ist doch nur im Stress mit seiner Firma.«
    »Das heißt, weder die Mutter noch der Vater haben ein engeres Verhältnis zu Frau Maier.«
    »Ganz bestimmt nicht, nein. Da müsste sich extrem viel geändert haben, wenn die jetzt in engerer Verbindung stünden.«
    »Aber Sie selbst müssen doch versucht haben, herauszufinden, weshalb Ihre Freundin plötzlich so verändert war. Sie können mir doch nicht erzählen, dass Sie sie nach wie vor lieben.«
    »Natürlich habe ich alles getan, um das herauszufinden«, rief der Mann. »Warum hören Sie mir denn nicht zu? Glauben Sie, ich hätte das gerade so hingenommen? Menschenskind, wie oft …«
    »Was ist letzten Herbst passiert?«, fiel Braig ihm mitten ins Wort. »Was hat sie Ihnen erzählt?«
    »Ich weiß es nicht«, kam es zurück. »Da können Sie mich so oft fragen, wie Sie wollen, ich kann es Ihnen nicht sagen. Uli war völlig verändert, als sie zurückkam, fertig, traumatisiert. Irgendein alptraumartiges Erlebnis, ich fürchte, ihr wurde Gewalt angetan, weiß es aber bis heute nicht. Sie blieb völlig verschlossen.«
    »Und sie ist nie näher darauf eingegangen, hat nie ein paar genauere Worte verloren?«
    Klein seufzte laut. »Hören Sie, ich habe keine Zeit, auf die ewig gleichen Fragen einzugehen. Ich stehe hier mitten auf der Straße, muss in die Uni und … Könnten wir nicht ein anderes Mal weiterreden?«
    Braig musste dem Mann zugestehen, ihn lange hingehalten zu haben, signalisierte Verständnis. »Ja gut, entschuldigen Sie meine hartnäckige Wissbegier, aber das ist nun mal mein Beruf. Vielleicht können wir unser Gespräch ein anderes Mal fortsetzen.« Er bedankte sich bei dem Mann, beendete das Telefonat. »Das wird nicht nötig sein«, erklärte Neundorf, die alles mit angehört hatte. Sie stand auf, schob sich den Rest eines Brötchens in den Mund. »Wir fahren nach Esslingen. Jetzt sofort.«

11.
    Neundorf war den Anweisungen ihres Kollegen folgend gerade in die Plochinger Straße in Esslingen eingebogen, als ihr Handy läutete. Sie suchte nach einem Parkplatz, nahm das Gespräch an.
    »Hier ist Melanie Rober«, meldete sich eine weibliche Stimme, »entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie noch einmal belästige, aber mir ist etwas eingefallen.«
    »Frau Rober«, sagte Neundorf, »ja, um was geht es?«
    »Ich habe heute Morgen, als wir miteinander telefonierten, nicht daran gedacht. Söder, Sie wissen schon, dieser junge Mann, der letztes Jahr bei uns arbeitete und dann so überraschend verschwand …«
    Die Kommissarin horchte auf. »Ja, was ist mit ihm?«
    »Ich weiß nicht, ob Ihnen das hilft und ob Sie das überhaupt interessiert.« Die Frau hatte Schwierigkeiten, zur Sache zu kommen. »Auf jeden Fall …«
    »Ja, was ist mit
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