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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst
Autoren: Klaus Wanninger
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wurden. Somit muss er auf den vierzehn Tagen beharren, um Söder und damit natürlich auch sich selbst zu entlasten. Falls Söder wirklich der Täter ist, fällt Koppers Strafe als Waffenbeschaffer garantiert höher aus, als wenn sein Kumpel sich wirklich bedroht fühlte. Das ist der einzige Punkt, wo ich ihm nicht traue.«
    »Dem kann ich mich anschließen«, hatte Braig erklärt. »In der Beziehung müssen wir uns den Kerl noch einmal vornehmen.«
    Sie hatten sich getrennt, Neundorf, um in der Kantine einen kleinen Imbiss für beide zu besorgen, Braig, um in seinem Büro eine frische Kanne Kaffee vorzubereiten.
    Er lief zu der Anrichte neben dem Waschbecken, sah die Liste Melanie Robers auf seinem Schreibtisch liegen. Maier, Uli, fiel ihm ein. Eine Tübinger Telefonnummer hatte die Person den Robers in Strümpfelbach angegeben, weshalb es sich nicht um die von ihm besuchte Ulrike Maier in Esslingen handeln konnte.
    Er setzte vier Tassen Kaffee an, als es ihm einfiel. Ulrike Maier wohnte erst seit wenigen Monaten in Esslingen. Weil ihre Liaison mit ihrem Freund auseinandergegangen war, hatten sie sich getrennt. Er war in der WG in Tübingen geblieben, sie …
    Tübingen, überlegte Braig, Tübingen. Er hatte selbst mit Leuten aus dieser Wohngemeinschaft telefoniert, zuerst mit einer … Maike Brandl, fiel es ihm wieder ein, später dann mit dem ehemaligen Freund Ulrike Maiers, diesem Achim Klein.
    Er ging zurück zu seinem Schreibtisch, setzte sich, holte die letzte Ermittlung wieder auf den Monitor. Er suchte nach der Telefonnummer der WG, verglich sie mit Neundorfs Ziffern. Volltreffer.
    Das Kribbeln machte sich zuerst in seinen Beinen bemerkbar. Er sprang von seinem Stuhl auf, marschierte in seinem Büro hin und her. Was war jetzt los? Überreizte Nerven? Durchblutungsstörungen? Zu wenig Sport?
    Ruhig bleiben, sagte er sich, nur keine voreiligen Schlüsse. Die Nummer war identisch. Also handelte es sich tatsächlich um Ulrike Maier, die damals, zur Zeit der Herbstlese vor einem Jahr, noch in Tübingen in dieser WG gewohnt hatte. Was war daran so verwunderlich? Es gab nun einmal Zufälle. Nichts lief vollständig genau nach akkurat geplanten Vorgaben. Immer mal wieder kamen unvorhergesehene Ereignisse dazwischen. In jedem Leben. In jedem Beruf. Warum nicht jetzt in dieser Ermittlung?
    Aus purem Zufall war er auf eine Person gestoßen, die er schon einmal, in anderem Zusammenhang, kontaktiert hatte. Als Opfer, versuchte er sich in Erinnerung zu rufen, als Opfer eines brutalen Überfalls. Ulrike Maier war in Esslingen von Kai Offenbach, einem üblen Gewalttäter angegriffen und misshandelt worden, so schwer, dass sie jetzt noch unter diesem Ereignis litt. Wobei man sogar noch von Glück reden musste: Ohne das mutige Eingreifen Bernhard Bareiss’ hätte das Wüten Offenbachs wohl weit schlimmere Folgen gehabt, unter Umständen sogar Ulrike Maiers Leben gekostet.
    Und jetzt hatte er dieselbe Frau wieder vor sich: Weil sie – fast genau ein Jahr vor diesem Überfall – als Erntehelferin der Weingärtnerfamilie Rober in Strümpfelbach tätig gewesen war. So war sie auf die Liste gekommen. Aus purem Zufall – ohne jeden Zusammenhang.
    Braig setzte sich auf seinen Stuhl, versuchte, sich wieder zu beruhigen. So war das also. Belanglos und ohne Bedeutung. Er konzentrierte sich wieder auf die Liste, sah die Anmerkung hinter dem Namen.
    Maier, Uli. Eine der verschwundenen Personen.
    Er spürte, wie das Kribbeln in seinem Körper augenblicklich wieder an Fahrt gewann, jetzt auch noch andere Partien erfasste. Eine der verschwundenen Personen?
    Das bedeutete: Ulrike Maier war gemeinsam mit dem später ermordeten Andreas Sattler und dem ihm noch unbekannten Söder genau an dem Abend aus Strümpfelbach verschwunden, als Grauselmaier dort mit seinem Vortrag Station machte. Im letzten Herbst. Vor fast genau einem Jahr. Alles nur Zufall?
    Braig stand auf, lief zu seiner Kaffeemaschine, betrachtete das dunkle Rinnsal. Letzten Herbst. Was hatte der ehemalige Freund ihm als Grund für die Trennung von Ulrike Maier erklärt? Er versuchte, sich das Gespräch mit Achim Klein genau in Erinnerung zu rufen, hatte die Worte des Mannes wieder im Ohr. Das war letzten Herbst, von einem Tag auf den anderen. Sie hatte ein paar Tage gejobbt, kam zurück und war nicht mehr dieselbe. Seither ist es mit uns aus, ohne jede Erklärung.
    Er hörte das Wasser in der Maschine blubbern, spürte die Unruhe, die seinen kompletten Körper ergriffen hatte.
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