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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz
Autoren: Klaus Wanninger
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Dienstag gewonnen. Und weil wir weder am Donnerstag noch am Freitag eine Klassenarbeit schreiben und auch niemand ein Referat oder eine GFS halten muss, gibt es überhaupt keinen Grund, nicht am Mittwoch zu feiern. Nur keine Angst, am Donnerstagmorgen sind wir alle wieder fit.«
    Um sich langwierige Auseinandersetzungen zu ersparen und weil Thomas Weiss versprochen hatte, sich den Mittwochnachmittag und -abend auf jeden Fall freizuhalten, waren sie schließlich bereit gewesen, einzulenken. Mit 14 Jahren flog das Leben bei Weitem noch nicht so schnell dahin wie später, wusste Neundorf aus ihrer eigenen Kindheit, in diesem Alter konnte das Warten von Dienstag bis Samstag tatsächlich zu einer mehrere Ewigkeiten dauernden Zeitspanne ausarten.
    Unmittelbar nach dem Ende des Nachmittagsunterrichts waren die ersten Gäste deshalb eingetrudelt, in bester Stimmung und, was die männlichen Besucher anbetraf, mit einem Appetit, als hätten sie gerade mehrere Hungerjahre hinter sich. Thomas Weiss war jedenfalls unermüdlich damit beschäftigt, immer neue Pizzen in den Ofen zu schieben und Berge von Spaghetti mit Soße zu begießen. Endlich, kurz vor Mitternacht, war auch der letzte Besucher satt und nach langwierigen Diskussionen von einem restlos erschöpften Elternteil in Empfang genommen worden. Die Wohnung im Waiblinger Ameisenbühl befand sich in einem erdbebenähnlichen Zustand. Gegen zwei Uhr hatten Neundorf und Weiss die offenkundigsten Missstände beseitigt.
    Der Anruf zehn nach sechs riss die Kommissarin deshalb um Stunden zu früh aus dem Schlaf. Sie wälzte sich zur Seite, starrte auf das Ziffernblatt des Weckers, griff dann mit missmutigem Stöhnen nach dem Hörer. »Ja?«
    »Hm, es ist so, Frau Neundorf, also, wir haben …«
    Trotz der kurzen Nacht benötigte sie nur wenige Sekunden, um zu sich zu kommen. Die weniger erfreulichen Seiten ihres Berufs waren ihr inzwischen zur Genüge vertraut. Seit fast zwei Jahrzehnten arbeitete sie beim Landeskriminalamt in Stuttgart, derzeit in der Position einer Kriminalhauptkommissarin. Mitten in der Nacht, am Wochenende oder – wie jetzt – am frühen Morgen seiner beruflichen Pflichten erinnert zu werden, vermochte da keine allzu großen Adrenalinschübe auszulösen. Es sei denn, sie hatte das umständliche Gestammel eines bestimmten Kollegen in der Leitung.
    »Um was geht es, Stöhr?«, blaffte sie den Mann deshalb an. »Sagen Sie es kurz und knapp.«
    Der Polizeiobermeister schnappte hörbar nach Luft, folgte dann ihrer Aufforderung. »Es ist so, wir haben eine Leiche. Tut mir leid …«
    »Wo?«
    »In Reutlingen.«
    »Wo in Reutlingen? Die Stadt ist groß.«
    »In der Nähe der Hochschulen.«
    Neundorf sah, wie ihr Lebensgefährte mit den Augen blinzelte und verschlafen zu ihr herüberschielte. »Haben wir genauere Informationen?«, erkundigte sie sich.
    Stöhr fiel wieder in seine gewohnte Ausdrucksform zurück. »Es ist so, also, hm, eine weibliche Leiche. Ich, äh, übermittle Ihnen die Nummer der Kollegen vor Ort.«
    »Tun Sie das, ja.« Sie folgte den Erklärungen des Mannes, speicherte die Ziffern. »Die Spurensicherer sind informiert?«
    »Hm, das werde ich sofort erledigen. Und Ihren Kollegen Grinsekäser ebenfalls.«
    »Wie bitte?«
    »Er hat Bereitschaft.«
    »Das spielt keine Rolle. Lassen Sie den aus dem Spiel, sonst können Sie selbst nach Reutlingen fahren.«
    Grinsekäser hatte ihr gerade noch gefehlt. Ein unfähiger, aufgeblasener Vollidiot, in den letzten Tagen der abgewählten Regierung aus einem anderen Landesteil kommend ins Amt gewechselt. Dass ausgerechnet der eine der raren Kommissarsstellen ergattert hatte, war dem Gerücht nach nur mit dem überall im Land kurz vor dem Machtwechsel noch in aller Schnelle durchgeführten Beförderungsprogramm für langjährige Parteimitglieder zu verstehen. Angeblich war Grinsekäser dabei gleich um zwei Gehaltsstufen in die Höhe geklettert.
    Der Polizeiobermeister versprach, sich sofort um die Benachrichtigung der Spurensicherer zu kümmern, beendete das Gespräch.
    »Reutlingen?«, brachte Thomas Weiss müde hervor.
    Sie beugte sich zur Seite, drückte ihm einen Kuss auf den Mund, nickte. »In der Nähe der Hochschulen.«
    »Wer wurde ermordet?«, fragte er. »Ein Student?«
    »Ich weiß es nicht. Eine weibliche Leiche, mehr brachte Stöhr nicht auf die Reihe.«
    »Na, dann wünsche ich dir, dass sie nicht allzu übel zugerichtet wurde.«
    Dein Wort in Gottes Ohr, ging es ihr durch den Sinn. Nicht allzu
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