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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz
Autoren: Klaus Wanninger
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geschnittenen, mit auffallend breiten Balkonen geschmückten Wohnkomplexen flankiert, erstreckten sich unmittelbar vor ihr zwei schmale Parzellen mit einfachen, nicht gerade vom Wohlstand ihrer Besitzer kündenden, spitzgiebligen, kleinen Häusern. Im Gegensatz zu ihrer Umgebung schien die Zeit hier in den fünfziger oder sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stehen geblieben zu sein. Erstrahlte bei dem rechts gelegenen Gebäude wenigstens die offensichtlich frisch hergerichtete Fassade in belebendem Zitronengelb, so fehlte dem Bauwerk, auf das sie gerade zusteuerte, jeder Ansatz einer Renovierung, so dringend notwendig das auch schien. Graubraune Wände, mehrere defekte Ziegel auf dem Dach, dazu ein von der Last der Jahre gezeichneter, windschiefer, auf der linken Seite angebauter Schuppen – das Haus machte nicht gerade einen sonderlich vertrauenerweckenden Eindruck. Getrennt wurden die beiden schmalen Parzellen von einem annähernd zwei Meter hohen, von Büschen und dünnen Bäumen flankierten Maschendrahtzaun, dem auf der linken Seite mehrere Holzstapel sowie Berge von Ästen und Zweigen vorgelagert waren. Unmittelbar an den Zaun grenzten links und rechts die Eingänge zu den beiden Häusern: Zwei einander ähnliche, niedrige und offensichtlich leicht zu öffnende Gartentüren, von denen sich zwei schmale, parallel verlaufende Wege zu den beiden Häusern zogen. Die Leiche musste auf dem linken Grundstück gefunden worden sein, hier jedenfalls machten sich die Kollegen zu schaffen.
    Neundorf hatte Schwierigkeiten, das Gelände komplett zu überblicken, sah sie sich doch von mehreren kräftigen Arbeitslampen im Vordergrund geblendet. In hellgrüne Plastikoveralls gehüllte Gestalten waren mit der Untersuchung des Bodens beschäftigt. Das Licht war so grell, dass sie die Männer im ersten Moment nicht erkannte. Erst als sie ihre Augen zusammenkniff, sah sie, dass es sich um Dr. Dolde und Rauleder, die Spurensicherer des LKA, handelte.
    »Oh, ihr seid schon da?« Sie begrüßte die beiden Männer, versuchte, sich in dem grellen Licht zurechtzufinden. »Das ging aber schnell.«
    »Wir waren in der Nähe«, erklärte Dolde kurz angebunden. »Autounfall bei Wannweil. Heute Morgen kurz vor sechs«
    »So schlimm?«, fragte sie. Normalerweise kümmerten sich die Techniker der regionalen Kriminaldirektionen selbst um Vorfälle in ihrem Revier. Die Spezialisten des LKA wurden nur zu Rate gezogen, wenn es sich um außergewöhnlich gravierende Vorkommnisse handelte.
    »Drei Tote«, gab Dolde zur Antwort. »Und drei Schwerverletzte.«
    »Mit minimalen Überlebenschancen. Die sind auch schon so gut wie hinüber«, ergänzte Rauleder.
    Keine weitere Bemerkung, nicht ein einziges Wort. Der Unfallort musste übel ausgesehen haben, wusste Neundorf, das Verhalten der Kollegen sprach Bände. Eine von Wrackteilen, abgetrennten menschlichen Gliedmaßen und vergossenem Blut übersäte Fahrbahn, sie kannte ähnliche Szenerien zur Genüge. Niemand war fähig, diesen Anblick schnell zu vergessen. Selbst die erfahrensten Beamten hatten damit zu kämpfen, solche Bilder aus ihrem Gedächtnis zu löschen. Manchmal waren sie wochenlang damit beschäftigt, besonders, wenn es sich um jüngere Opfer handelte. Die direkte Konfrontation mit dem Tod zu verarbeiten, hatte sich auch nach vielen Jahren Arbeit bei der Kriminalpolizei nicht zur Routine entwickelt.
    »Die Leiche liegt dort vorne.« Rauleders Worte rissen Neundorf aus ihren Gedanken. Sie folgte dem Fingerzeig des Kollegen, sah einen uniformierten Beamten wenige Meter vor der Eingangstür des Gebäudes stehen.
    »Dr. Schäffler war schon da. Er lässt sie holen, sobald du sie begutachtet hast.«
    »Der angebliche Täter …?«
    »Er ist im Haus. Von zwei Kollegen bewacht.«
    Sie bedankte sich für die Auskunft, lief aus dem grellen Licht auf das Haus zu. Sie sah jetzt deutlich, wie klein es war. Zwei Stockwerke, das obere aber völlig in der Schräge, an der Vorderseite ein einziges Fenster, das reichte kaum für eine Familie, jedenfalls nicht nach dem heute gewohnten Standard. Der zur Straße hin vorgelagerte, vielleicht acht Meter lange Garten allerdings schien gepflegt, seine intensive Nutzung jedenfalls war nicht zu übersehen.
    Sie war bei dem uniformierten Beamten angelangt, stellte sich vor, erkannte ihn an der Stimme. Sie hatten miteinander telefoniert. Er wies auf den von einer dunkelgrauen Plane verhüllten Körper vor sich, informierte sie ebenfalls darüber, dass der
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