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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz
Autoren: Klaus Wanninger
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Mitte des Raums erreicht hatte; die geöffnete Tür hatte sie verdeckt.
    »Mein Kollege, POM Reule«, wies Kürzinger auf die beiden Anwesenden, »und Herr Hellner.«
    Neundorf sah, wie die Männer sich von ihren Stühlen erhoben, stellte sich vor, reichte ihnen die Hand. Sie musterte den angeblichen Täter, nahm seinen müden, ausweichenden Blick sofort wahr. Er war recht jung, kaum über vierzig, trug eine dicke Winterjacke und ausgebleichte Jeans, hatte Pantoffeln an den Füßen. Seine blasse Miene wirkte verschlafen, er hatte sichtbar Mühe, sein linkes Auge offenzuhalten. Die blonden Haare klebten strähnig über den Schläfen, quer über dem Kinn klaffte eine schmale, von einer Blutkruste gesäumte Wunde.
    »Herr Hellner wurde dabei überrascht wie er sich an der Frau draußen«, Reule wies zum Fenster, »zu schaffen machte.«
    Neundorf sah, wie der Beschuldigte sein Gesicht verzog, zudem mit der rechten Hand abwinkte.
    »Der Zeuge behauptet, er habe beobachtet, wie Herr Hellner sie um den Hals fasste und würgte.«
    »Blödsinn. Ich war das nicht«, wandte der Beschuldigte mit nervöser Stimme ein. »Ich bin aufgewacht, da lag die auf dem Weg. Die war schon tot, als ich sie fand.«
    Neundorf hatte Schwierigkeiten, sein Mienenspiel genau zu erkennen, weil es von ihrem eigenen Schatten leicht abgedunkelt wurde, nahm seine Worte ohne besondere Verwunderung wahr.
Ich war das nicht
. Wie oft hatte sie den Satz schon gehört? Ein Stereotyp, fast schon im Reflex von vielen geäußert, die einer Straftat beschuldigt wurden. Nicht mehr als eine Floskel, um sich vor den Konsequenzen des eigenen Verhaltens zu schützen. Es lohnte nicht, über den Wahrheitsgehalt nachzudenken. Nicht in einem so frühen Stadium der Untersuchung.
    »Wer ist dieser Zeuge, und wo finde ich ihn?«, fragte sie.
    »Ein Herr Dr. Renck. Ein Pensionär. Er wohnt zwei Häuser weiter. Sie können ihn jederzeit sprechen. Er ist den ganzen Tag zu Hause.«
    »Ein verrückter Spinner«, erklärte Hellner. »Der will mir unbedingt etwas anhängen, das ist alles.«
    »Sie streiten ab, die Frau getötet zu haben?« Neundorf war einen Schritt zur Seite getreten, damit das Licht des dreiflammigen Strahlers das Gesicht des Mannes voll ausleuchtete, beobachtete seine Mimik. »Weshalb beschuldigt dieser Dr. Renck Sie dann?«
    Hellners linkes Augenlid zuckte, er legte seine Stirn in Falten. »Allerdings streite ich das ab«, blaffte er sie an. »Ich weiß überhaupt nicht …« Er verhaspelte sich vor lauter Aufregung, suchte nach einem neuen Anlauf. »Ich weiß nicht einmal, wer die Frau ist.«
    »Wie kommt sie dann vor Ihre Haustür?«
    Hellner schnappte nach Luft. »Was weiß ich?« Sein Blick streifte für den Bruchteil einer Sekunde ihre Augen, wich dann sofort wieder zur Seite.
    »Sie haben keine Erklärung?«
    »Eine Erklärung?«, nahm er ihre Worte auf. »Was gibt es da zu erklären? Ich lag im Bett und wurde irgendwann wach, von einem seltsamen Geräusch. Und dann ging ich nach draußen, um nachzuschauen, was das Geräusch verursachte, und fand diese tote Frau. Das ist alles.«
    »Was für ein Geräusch meinen Sie?«
    Hellner zeigte zum Fenster. »Da war so ein seltsames … Wie soll ich sagen? Eine Art Peitschen, das drückt es wohl am besten aus. Es kam von draußen.« Er hustete kräftig, schaute zu ihr her. »Jetzt weiß ich, was es verursachte.«
    Neundorf betrachtete ihn skeptisch. »Ja, und? Was soll das gewesen sein?«
    »Der Wind.« Der Mann fuchtelte nervös mit seinen Händen durch die Luft. »Als ich durchs Fenster in den Garten starrte, sah ich, wie der Wind in die Zweige eines Busches fuhr und sie an die Hauswand drückte. Und als ich dann auf den Weg schaute, sah ich dort so einen seltsamen Gegenstand liegen. Ein langes, schlankes Bündel, eingewickelt in eine Plane. Ich wusste natürlich nicht, worum es sich handelte, obwohl mir ziemlich schnell so ein vager Verdacht kam …«
    »Was für ein Verdacht?«, fragte Neundorf.
    »Na ja«, der Mann hielt inne, stotterte. »Da, also, in dem Moment, ich meine, als ich durch das Fenster starrte, irgendwie, keine Ahnung, wie ich darauf kam, aber es sah einfach so aus wie ein von einem Stoff oder einer Folie umhüllter Mensch.«
    »Der Gedanke kam Ihnen gerade so? Aus heiterem Himmel?«
    Er bemerkte wohl ihre Skepsis, warf beide Arme hoch. »Als ich dieses Bündel da so liegen sah, ja. Ob Sie es jetzt glauben oder nicht.«
    Sie musterte ihn angestrengt, hakte noch einmal nach. »Wann war
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