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Schurken machen Krawall

Schurken machen Krawall

Titel: Schurken machen Krawall
Autoren: Frank Schmeisser
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verächtlichem Unterton.
    „Ich mag Kostüme. Ich finde die lustig“, erklärte ich meine Aufmachung.
    Die Oma schüttelte nur den Kopf und stand auf.
    „Ich denke, es ist das Beste, wenn ich jetzt deine Eltern anrufe. Also?“
    „Also was?“, fragte ich.
    „Deine Telefonnummer.“
    „Ich habe mich doch noch gar nicht entschuldigt!“, rief ich empört.
    „Entschuldigung angenommen. Und jetzt bitte deine Telefonnummer.“
    „Aber ich habe mich doch noch gar nicht richtig entschuldigt!“
    Die Oma stöhnte und verdrehte gleichzeitig die Augen.
    „Dann leg los.“
    „Jetzt?“
    „Wann sonst?“
    „Gut. Aber …“ Ich grübelte, was ich tun könnte. Ich musste Zeit gewinnen und sie ablenken, damit Action-Bärbel und der Spinnenmann fliehen konnten.
    „Was, aber?“, fragte die Oma schroff.
    „Aber ich habe etwas vorbereitet …“
    „Was immer es ist, fang damit an. Und zwar sofort!“
    In meinem Kopf tobte es. Was sollte ich tun? Was sollte ich sagen? Warum hatte ich mir nicht vorher etwas überlegt?
    „Ein Gedicht!“, rief ich. „Von Goethe!“
    „Goethe?“
    „Goethe!“ Goethe war früher so was wie ein Superheld. Wobei seine Superkraft seine Sprache war. Meine Mutter, die unglaublich gerne dicke alte Wälzer liest, liebt Goethe und behauptet ständig, dass Goethe der größte deutsche Schriftsteller aller Zeiten war und immer noch ist.
    Die Oma atmete schon wieder schwer aus. Vielleicht hatte sie Asthma? Dann sollte sie aber nicht in solch einer gammeligen Bude rumhängen.
    „Alles in Ordnung?“, fragte ich.
    „Fang an“, sagte sie und klang leicht resigniert.
    „Das Gedicht ist etwas länger …“
    Wieder stöhnte die Oma auf. Anscheinend teilten nicht alle die Begeisterung meiner Mutter für Literatur.
    Ich entschied mich für ein gruseliges Gedicht, in dem es um einen Ritt durch eine finstere Nacht und den bösen Erlkönig geht. Ich hatte das Gedicht mal in einem Buch meiner Mutter gesehen und mir gleich gemerkt. Weil das Gedicht spannend ist und weil ich mir wegen meines fotografischen Gedächtnisses eh alles merken kann. Mit dem Ding würde ich auf alle Fälle erst einmal Zeit gewinnen.
    „Also, das Gedicht heißt ‚Der Erlkönig‘. Und ich habe es auswendig gelernt, um mich bei Ihnen für die Störung zu entschuldigen.“
    „Mach hin!“, quengelte die Oma. „Ich bin nicht mehr die Jüngste.“
    „Gut. Ich fang dann an, ja?“
    „Jaaaaaahaaaa!“
    „Okay. Also los:
    Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
    Es ist der Vater mit seinem Kind …“
    Auf einmal entdeckte ich ihn, baumelnd an einem Haken im Flur, und schlagartig wurde mir klar, dass unser Plan nichts taugte, weil wir eine wichtige Sache nicht bedacht hatten: Action-Bärbel und der Spinnenmann konnten alleine nicht vom Dachboden fliehen. Das Fenster war viel zu hoch, die Stelzen lagen im Gras und die verdammte Tür zum Dachboden war verschlossen. Und der dicke, schwere Eisenschlüssel, der den Weg freimachte, baumelte an einem Haken im Flur. Auf Zeit zu spielen war so sinnlos, wie Kindern Brokkoli als ganz besonders leckere kleine Bäumchen anzupreisen. Die Tür blieb zu und Brokkoli schmeckt trotz seines putzigen Aussehens furchtbar.
    „War es das?“, fragte mich die Oma genervt.
    „Äh. Nee. Wer reitet so spät …“
    „Hatten wir schon“, meckerte sie dazwischen.
    Ich stand auf. Ich musste irgendwie an den Schlüssel kommen und dann irgendwie nach oben gelangen, die beiden befreien und gemeinsam mit ihnen aus dem Haus in den Wald fliehen.
    „Bleib sitzen.“
    „Ich kann mich im Stehen besser konzentrieren.“
    „Von mir aus, wenn es schneller geht.“
    „Wer reitet so spät …“
    Ich rannte los. In den Flur. Bremste ab und knallte die Küchentür zu und warf mich von außen dagegen.

    Die Schurkenoma brauchte einen Moment, bis sie die Tür erreicht hatte. Sie rüttelte an der Klinke, doch der Weg aus der Küche blieb ihr versperrt.
    „Was soll das? Mach die Tür auf, verdammt noch mal!“ Dumpf hörte ich sie hinter der Tür schreien. Ich hielt die Klappe. Verschwendete keine Energie. Ich brauchte meine ganze Kraft, um die Tür zuzuhalten. Ich stemmte mich mit meinem ganzen Gewicht dagegen. Meine bescheuerten Hufe begannen, auf dem Holzboden zu rutschen. Sie fanden einfach keinen Halt. Die Oma war stärker, als ich dachte. Die Tür öffnete sich einen Spalt. Ich drückte sie wieder zurück. Mit dem Huf angelte ich nach einem Stuhl, der neben einer Kommode stand. Ich packte ihn mir und wartete
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