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Schule der Armen

Schule der Armen

Titel: Schule der Armen
Autoren: Sándor Márai
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der geistigen Börse, wo man die wechselnden Kurse der Begriffe notiert, die vollkommene Liste derjenigen Werte, die man nicht erstehen kann, noch nicht angeschlagen wurde. Die Mehrheit der Menschen lebt heute noch in der irrigen Annahme, man könne mit Geld, und noch dazu mit einem so minderwertigen und wenig wertbeständigen Symbol wie dem heutigen Geld, die ganze Welt mit ihren gesamten Naturschätzen und Kraftquellen kaufen.
    Vom Geld, geben wir es offen zu, kann man nicht vorsichtig genug sprechen. Es käme einer böswilligen Ableugnung der magischen Kraft des Geldes gleich, wollte jemand bestreiten, daß man für Geld auch Menschen kaufen kann, nicht nur den lahmen Bettler an der Kettenbrücke, sondern unter entsprechenden Umständen und mit entsprechenden Mitteln sogar einen Maharadscha, den einen mit seiner Krücke, den andern mit seinem Gesamtbesitz und Harem, also mit Haut und Haaren – ach, nichts ist leichter käuflich als ein Mensch. Geben wir weiter zu, daß man für Geld bis zu einem gewissen Grad auch Gesundheit, Schönheit und das meiste von dem, was einem eine Frau zu bieten vermag, käuflich erwerben kann.
    Dagegen können wir zum Beispiel mit Geld nicht erreichen, daß ein Rhinozeros den Menschen mit selbstverständlicher Freundlichkeit anblickt – schon diese eine Tatsache genügt, um dem Irrwahn der alles zu Fall bringenden und in seinen magischen Bannkreis zwingenden Kraft des Geldes mit Zweifel und Vorbehalt entgegenzutreten.
    Des Übels Wurzel ist, daß für den Durchschnittsreichen die Wahrheit meist unerträglich erscheint und er sich mit den Surrogaten der Dinge zufriedengeben muß, die das Geld ihm, in Seidenpapier gewickelt, ununterbrochen liefert. Der Reichtum ist letzten Endes etwas Symbolisches und Beschränktes, und die Reichen sind im höheren Sinne des Wortes ebenfalls arme Menschen, da sie sich statt mit der Wahrheit, die sie ebenso fürchten wie ein Köter den Hundefänger, mit Surrogaten oder Symbolen der Wahrheit begnügen müssen, welche die Literatur und die auf ihr Eigenbild zugeschnittene Gesellschaft ihnen fatamorganaartig vorgaukelt.
    Nur die allerfeinfühligsten Reichen, die so begabt sind, daß sie Arme sein könnten, wissen, wie beschränkt die Macht ihres Geldes ist und daß nicht nur der Besitz des Geldes sie von den Armen trennt. Schließlich wissen sie auch, daß man zwar für Geld die Tugend kaufen kann (ein sich durchwegs nicht lohnendes Geschäft), jedoch keinesfalls das heiter-beglückende Gefühl, das die Erkenntnis und die praktische Ausübung der sittlichen Wahrheiten der Seele schenkt. Denn entgegen den Puritanern, die an Stelle der »Tugend« die Welt mit ihren traurigen saft- und kraftlosen Salbadereien füttern möchten, ist es unsere Überzeugung, daß die wirkliche Tugendhaftigkeit ein leidenschaftlicher, sinnlicher und heiterer Zustand ist.
    Der Reiche, der sich den Freuden des Lebens zwangsläufig immer nur mit dem Schutzmittel seines Geldes nähert, vermag alles zu kaufen, nur nie und nimmer diese Freuden der Tugend. Darum sind auch die Reichen im allgemeinen so traurig.
    Der aufrechte, gesunde und nie zu befriedigende Erwerbsinstinkt ist, wie wir wissen, ein charakteristisches Kennzeichen der Reichen. Ein Reicher, der beim Erwerb an einer gewissen Grenze haltmacht und mit dem Erwerben weder weiter kann noch will, zählt nicht mehr zu den wirklich Reichen und wird meist aus ihrer Welt ausgestoßen. Man verhängt die Strafe über ihn wegen Faulheit und Untreue zur Idee, denn die Reichen kennen untereinander viel weniger Erbarmen als Armen gegenüber.
    Ein richtiger Reicher vermehrt sein Vermögen, solange er lebt. Wenn ein Reicher sich auch scheinbar zurückgezogen hat, um mit Rosenzucht und dem Studium gotischer Bildhauerkunst seine Zeit zu vertreiben, so versäumt er im geheimen dennoch keine Gelegenheit, um etwas zu erwerben, und sei es nur ein Gratisbillett im Theater. Nehmen wir die Eigenschaften der Reichen unter die Lupe, so überwältigt uns geradezu dieser elementare Zwang in ihrem Erwerbsinstinkt, welcher ihre Handlungen leitet. Gleich den leidenschaftlichen Sammlern, die sich nicht mit den schon in ihrem Besitz befindlichen dreihundertundvierzig Tabatieren begnügen, sondern dazu noch alle anderen Tabatieren der Welt erwerben möchten, sehnt sich der richtige Reiche nicht nach einer bestimmten abgerundeten Summe, auch nicht nach einem Betrag in einer bestimmten Währung, sondern nach dem gesamten Geld der Welt und nach sämtlichen
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