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Schuldig wer vergisst

Titel: Schuldig wer vergisst
Autoren: Kate Charles Anke und Dr Eberhard Kreutzer
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selbstständig und nahm einige – nein, viele – seiner alten Kunden mit. Die Mund-zu-Mund-Propaganda trug noch das ihre bei, und jetzt brummte das Geschäft. In praktischer Nähe zum Kanal- und damit zur Joggingstrecke, hatten sie die viktorianische Doppelhaushälfte in Paddington gekauft und Stoke Newington für immer hinter sich gelassen.
    Auch Rachel kündigte ihre Stelle. Sie hatte als Buchhalterin in derselben Firma wie Trevor gearbeitet, in der sie sich auch kennenlernten. Trevor bestand darauf, dass sie stattdessen zukünftig ihm die Bücher führen könne. Schließlich bräuchte er jetzt, wo die Geschäfte so gut liefen, eine versierte Buchhalterin. Die tägliche Fahrerei vermisste sie weiß Gott nicht, ihre Kollegen und Freunde dagegen schon. Sie hatte seit ihrer Schulzeit in dem Unternehmen gearbeitet, und so waren diese Leute für sie fast wie eine Familie. Die angenehmen Kaffeepausen, die kleinen Geheimnisse, die man mittags bei einem Sandwich austauschte, die Drinks in der Eckkneipe nach Feierabend: All das hatte sie gar nicht richtig zu schätzen gewusst, bis sie beschlossen hatte, ihre Arbeit tatsächlich aufzugeben. Jetzt, wo sie diese Dinge nicht mehr hatte, erschienen sie ihr unendlich kostbar, und sie trauerte ihnen in einem Maße nach, das sie nie für möglich gehalten hätte.
    Und nun, wo das Baby unterwegs war, wollte Trevor, dass sie überhaupt nicht mehr arbeitete. »Wir brauchen das Geld nicht«, sagte er oft. »Du kannst zu Hause bleiben und dich nur um das Baby kümmern.«
    »Aber deine Bücher …«
    »Ich kann einen Buchhalter einstellen«, hatte Trevor großspurig erklärt. »Ich gebe eine Annonce auf.«

    Das Baby trat sie wieder, diesmal heftiger als davor. Rachel zuckte zusammen und massierte sich den Bauch.
    »Ich bin dann mal weg.« Trevor beugte sich über sie und streifte ihre Lippen mit einem zarten Kuss. »Gleich wieder da. Du brauchst dich mit dem Aufstehen nicht zu beeilen, Liebling. Lass dir ruhig Zeit.«
    »Viel Spaß«, rief sie ihm nach.
    »Joggen soll nicht Spaß machen«, rief ihr Trevor ins Gedächtnis, während er sich die Kopfhörer des iPod in die Ohren steckte und auf die Play-Taste drückte. Er winkte noch einmal über die Schulter und ging bereits im Flur in Laufschritt über.
    Rachel wartete, bis sie die Haustür zufallen hörte, dann setzte sie sich mühsam auf und zog ihren Laptop unter dem Bett hervor. Sie balancierte ihn auf ihrem Bauch, klappte ihn auf, stellte die Verbindung zum Internet her und rief ihre E-Mails ab.
     
    Neville Stewart hatte seinen Freund Mark Lombardi seit Wochen nicht gesehen. Zwar waren sie sich auf dem Polizeirevier gelegentlich über den Weg gelaufen und hatten ein-, zweimal zusammen in der Kantine gegessen, doch es schien, als sei es mit den alten Tagen der gemeinsamen Junggesellenabende im Pub vorbei.
    Es hatte keinen Streit gegeben; sie hatten ihre Gewohnheiten nicht mit Absicht geändert. Es hatte sich nur so ergeben, dass die zwei eingefleischtesten Singles des Reviers gleichzeitig eine Beziehung eingegangen waren und nichts mehr so war wie früher.
    Heute allerdings wusste Neville nicht so recht weiter, er war unruhig und vermisste die alte Kameradschaft mit Mark.
    Es gab einen tieferen Grund für seine Rastlosigkeit, über den er nicht allzu gern nachdachte.

    Triona.
    Er hatte den gegenwärtigen Zustand, dieses Auf-der-Stelle-Treten, eindeutig satt. Ihre Beziehung litt an Perspektivlosigkeit. Wieso war sie nur so stur?
    Sie waren sich vor einigen Monaten wieder über den Weg gelaufen – neun Jahre nach einer kurzen, aber heftigen Affäre, die bei ihnen beiden Narben hinterlassen hatte. Der Funke sprang immer noch über, stellte Neville vom ersten Augenblick an fest. Triona hatte auf ihn eine Wirkung, wie keine andere Frau vor oder nach ihr es je gehabt hatte.
    Er hatte sie eingeladen, mit ihm essen zu gehen, und sie hatte angenommen.
    Er hatte sie von zu Hause abgeholt – von ihrer piekfeinen Wohnung in einem umgebauten Lagerhaus mit Blick über den Fluss.
    Aus dem Essen war nichts geworden. Sie waren nur bis in ihr Schlafzimmer gekommen.
    Neville blätterte die Papiere auf seinem Schreibtisch durch, ohne richtig hinzugucken, während er an diese Nacht mit einer komplizierten Mischung aus brennendem Verlangen, Selbstmitleid und Ärger zurückdachte.
    Es war so gut wie früher gewesen. Sogar noch besser. Triona war inzwischen reifer, eine erwachsene Frau, die wusste, was sie wollte und wie sie Lust bereiten konnte, ohne
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