Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schubumkehr

Schubumkehr

Titel: Schubumkehr
Autoren: Robert Menasse
Vom Netzwerk:
Flugzeugladung von beschriebenem Luftpostpapier! Wir sind uns sehr nahe gekommen, auf eine sehr schöne Weise, und schließlich hat er mir einen Heiratsantrag gemacht. – – – Trotzdem war ich die längste Zeit unsicher, ob ich ihn mir nehmen soll. Mir nehmen! Nun drängt er mich immer mehr, weil er mich offenbar wirklich sehr liebt – Ich will Dir ein Beispiel geben. Es ist gestern passiert, und das ist auch der Grund, warum ich Dir heute gleich schreibe. Ich war gestern abend mit Richard, so heißt er, Bitte schreibe jetzt nicht, daß du ihn Ricky nennst! Was ist passiert, was? essen, und schließlich hat er seinen Antrag noch einmal ganz eindringlich wiederholt. Dabei hat er seinen Autoschlüssel aus der Tasche genommen, in der Hand so hin- und herbaumeln lassen und gesagt: Wenn ich nicht Ja sage, dann steigt er jetzt in sein Auto ein und fährt mit Vollgas auf der Ringstraße gegen den nächsten Baum. – – – Wir waren in diesem neuen vegetarischen Restaurant im ersten Bezirk, von dem ich Dir ja schon einmal geschrieben habe, wo es dieses köstliche biologische Essen gibt, und haben die ganze Zeit nur Mineralwasser und Tee getrunken, Romy, ich schwöre Dir, er war wirklich nicht betrunken. Schnaps, sofort einen Schnaps. Noch einen. Was ist das für ein Verrückter, was ist er, was macht er im Leben, außer drohend seinen Autoschlüssel baumeln zu lassen? Es war eindeutig, daß er es wirklich ernst meinte, daß er, wie er sagte, ohne mich nicht mehr leben wolle. Die alte Schule, das liebt sie, immer schon hatte sie die rührseligen Romane und die alten Filme geliebt, in denen diese Sätze vorkommen, abends fernsehen, einen solchen Film, und sie erfing sich nicht mehr vor Wollust, Rotz und Wasser. Ich habe ihm noch einmal ganz ruhig und sachlich alle Gründe auseinandergesetzt, die gegen eine feste Bindung sprechen und die ich auch Dir nicht verheimlichen kann. Er ist vor allem sehr jung, vielleicht viel zu jung, nämlich fünfzehn Jahre jünger als ich, also nur fünf Jahre älter als Du, mein Schatz. Ist sie verrückt geworden? Ist er ein Verrückter? Übrigens, stell Dir vor, er hat sogar am selben Tag Geburtstag wie Du! – – – Vielleicht ist übrigens auch das ein Grund dafür, warum ich mich mit ihm so gut verstehe, und daß er mir so rasch so vertraut werden konnte, ich bin sicher, daß der Einfluß der Sterne da eine große Rolle spielt! Noch einen Schnaps. Als sehr großes Problem sehe ich es auch, daß er sich erst unlängst von seiner ersten Frau hat scheiden lassen, mit der er zwei kleine Kinder hat. Diese Scheidung hat zwar nichts mit mir zu tun, er ist einfach viel zu jung gleich in diese Ehe hineingeschlittert, die nicht gutgehen konnte und unter der er sehr gelitten hat, die aber noch sehr lange eine enorme Belastung für ihn darstellen wird, auch wenn er als Mechaniker Mechaniker? sehr schön verdient: denn diese Frau preßt ihn nach Strich und Faden mit ihren Alimentationsforderungen aus, und Richard hat zu allem Ja und Amen gesagt, nur um erst einmal von ihr freizukommen. Ja, sicher, aber was hast du gesagt? Ja? Oder Baum? Ich habe ihm gestern gesagt, daß ich keinesfalls ohne Deine Einwilligung – O Gott, noch einen Schnaps! – einfacher und rascher gewesen, Dich in diesem Fall anzurufen – schreiben, weil ich mir dann doch gedacht habe, daß Du dann in größerer Ruhe, als es am Telefon möglich ist, darüber nachdenken kannst – mir versprochen, Zeit zu lassen, bis ich Deine Antwort – sehr verständnisvoll – aber Dich bitte, bei Deiner Entscheidung nicht meine Gefühle für Richard, sondern nur Deine eigenen Gefühle zu berücksichtigen – Du mußt mir glauben, daß mir am wichtigsten – so oder so – nicht leicht – sehr wichtig. Lieber Romy, sonst gibt es, vor allem gemessen an dieser für Dich sicher sehr überraschenden Neuigkeit, nichts Wichtiges zu berichten. Wir haben einen sehr kalten Winter, minus 25 Grad!!! Aber Dir in Brasilien muß ich zum Glück nicht sagen, daß Du Dich immer schön warmhalten sollst. Zum Glück.
    Unschlüssig, was er jetzt tun sollte, rauchte Roman eine Zigarette, schließlich zog er sich aus, ging ins Badezimmer, betrachtete sich lange im Spiegel, so starr, als betrachtete er eine Fotografie. Dann nahm er eine Dusche, auf eine, wie ihm selbst auffiel, sehr eigentümliche Weise, nämlich so, daß er jede Berührung mit sich selbst vermied. Naß legte er sich ins Bett.
7.
    War das schon das Unglück, das auch von Frau Nemec seit dem Abend
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher