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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne
Autoren: John Harvey
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doch nichts.«
    »Mir bringt es was.«
    Noble musterte ihn gründlich. »Wenn wir für den Augenblick mal annehmen, dass Sie recht haben, gibt es natürlich noch eine Alternative.«
    »Und die wäre?«
    »Die Kriminalpolizei war nicht so gewieft, wie sie hätte sein können.«
    »Was soll das, Liam? Wollen Sie die Verantwortung abwälzen? Die Schuld umverteilen?«
    »Keineswegs. Aber wenn es etwas in Mitchells Vergangenheit gibt, was ich bezweifle, wieso ist es dann nie herausgekommen?«
    Will hielt den Mund. Als sie Roberts damals in Haft genommen hatten, war er natürlich zu einer ganzen Reihe ungelöster Missbrauchsfälle an Mädchen vernommen worden. Allerdings war dabei nichts Relevantes ans Licht gekommen, und sobald die Staatsanwaltschaft der Anklage im Fall Martina Jones zugestimmt hatte, war die Frage in den Hintergrund getreten, weil andere, dringendere Dinge Vorrang hatten.
    »Die Sache ist nun einmal die«, sagte Noble, »wenn Sie die Untersuchungshaft einbeziehen, hat Roberts mehr als die Hälfte seiner Strafe verbüßt. Er hat das Programm für Sexualstraftäter erfolgreich absolviert. Das Gremium, das übereine bedingte Haftentlassung entscheidet, hat echte Reue bei ihm festgestellt. Ihm ist klar, dass er etwas Unrechtes getan hat.«
    »Etwas Unrechtes?«
    »Ja.«
    »Und Sie glauben das?«
    »Ja. Bis er mir einen Grund gibt, etwas anderes zu denken.«
    Will stand schnell auf. »Wenn er Ihnen einen Grund dazu gibt, ist es zu spät.«
    Auch dieses Gespräch hatte sich erschöpft, befand Noble. »Er steht im Strafregister für Sexualtäter. In den ersten sechs Monaten wohnt er in einer anerkannten Unterkunft und meldet sich regelmäßig bei seiner Bewährungshelferin. Wir werden ihn genau überwachen, machen Sie sich da keine Gedanken.«
    Will stand in der offenen Tür und sah auf ihn zurück. »Nicht so genau wie ich.«
    »Um Gottes willen, Will   …«, begann Noble.
    Aber Will war weg.
     
    Es war Mittwochmorgen, zwei Tage, nachdem Helen die Nachricht von Roberts’ bevorstehender Entlassung weitergegeben hatte. Sie saß auf der einzigen freien Ecke von Wills Schreibtisch, nutzte seine Abwesenheit, um einen privaten Anruf zu machen, und hielt sich das Handy ans Ohr. »Ja«, sagte sie munter. Und: »Ach wirklich? Das würdest du? Hier?« Sie lachte. »Ich glaube nicht, dass Will das gefallen würde.« Noch ein Lachen; es war laut und kam tief aus dem Hals.
    »Das ist ein dreckiges Lachen, wenn ich je eins gehört habe«, sagte Will, als er eintrat.
    »Ich muss Schluss machen«, murmelte Helen schnell,schob ihr Handy zusammen und schwang herum, wobei sie mehr Bein zeigte als möglicherweise beabsichtigt.
    »Entschuldigung. Ich musste telefonieren.«
    »Ist in Ordnung.«
    »Du weißt doch, wie es da draußen ist, dieser ganze Lärm und alle spitzen die Ohren.«
    »Dann war es privat?«
    »Gewissermaßen.«
    »Wer ist der Glückliche?«
    Grinsend zog Helen eine Augenbraue in die Höhe. »Das würdest du wohl gern wissen?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    Helen glitt von seinem Schreibtisch herunter und strich ihren Rock an den Oberschenkeln glatt. Sie trug ein seriöses Kostüm in feierlichem Schwarz und schwarze Schuhe mit einem kleinen Absatz. Wie inzwischen fast immer hatte sie ihr Haar zurückgesteckt.
    »Bist du später bei Gericht?«, fragte Will.
    »Als Strafe für meine Sünden.«
    »Curtis Chambers?«
    »Genau der.«
    Chambers war mit dem Türsteher eines Nachtclubs in Streit geraten, war zum Haus eines Freundes gefahren und hatte sich eine Waffe geliehen, eine umgebaute Startpistole, die aber die Hälfte der Zeit Ladehemmung hatte. Dann war er zum Club zurückgekehrt und hatte nach weiteren hitzigen Worten und einigem Geschiebe und Geschubse die Pistole aus der Tasche genommen und dem Türsteher in den Kopf geschossen. Wie durch ein Wunder hatte der Mann überlebt. Chambers war drei Tage später verhaftet worden. Die Anklage lautete auf Mordversuch, gefährliche Körperverletzung und das Tragen einer Waffe an einem öffentlichen Ort. Jetzt plädierte er auf Notwehr.
    »Die Sache ist ganz eindeutig«, sagte Will.
    »Würde man denken.«
    Will ließ sich auf seinem Stuhl nieder. »Ich war bei Noble«, sagte er.
    »Wegen Roberts?«
    »Ja.«
    »War vielleicht nicht so gut.«
    »Glaubst du?«
    Helen schüttelte den Kopf. »Hör zu, Will. Du weißt, was ich denke. Du musst dich damit abfinden. Außerdem werden sie sich alle auf ihn stürzen.«
    »Sie?«
    »MAPPA.   Er kann nicht in der falschen Richtung
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