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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich
Autoren: Urban Waite
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klein und zart wie Kristall.
    Drake nahm den Hut ab und kratzte sich an der Schläfe. Dann, nachdem er den Hut wieder auf seinem Kopf zurechtgerückt hatte, sagte er schließlich: »Das ist sie nicht.«
    »Scheiße«, knurrte der Sheriff. »Ich war mir ganz sicher, dass wir hier einen Treffer gelandet hätten.«
    »Tut mir leid«, sagte Drake. »Tun Sie mir einen Gefallen, rufen Sie die DEA an und sagen Sie Driscoll, dass sie’s nicht ist.«
    »Ja, kann ich machen.«
    »Wie geht’s jetzt mit ihr weiter?«
    »Ich glaube, wir lassen sie wohl lieber raus«, meinte der Sheriff.
    Nora beobachtete sie jetzt, hörte genau zu.
    »Entschuldigen Sie«, sagte der Sheriff durchs Gitter. »Ich hab gedacht, Sie wären jemand anderes. Tun Sie uns einen Gefallen und nehmen Sie das nächste Mal Ihren Ausweis mit.«
    Nora antwortete nicht.
    »Wollen Sie Beschwerde gegen das Sheriff’s Department einlegen?«, erkundigte sich Drake. Er lächelte ein wenig, und der Sheriff sah beklommen aus.
    »Nein«, sagte Nora. »Ich hätte bloß nicht gedacht, dass es so einen Aufstand gibt, wenn man ohne Ausweis rumläuft.«
    Der Sheriff ging hin, schloss die Zellentür auf und öffnete sie. »Kommen Sie raus«, brummte er.
    »Fahren Sie sie dahin zurück, wo Sie sie aufgegriffen haben?«, fragte Drake.
    Der Sheriff bedachte ihn mit einem schmerzlichen Blick, dann erwiderte er leise: »Ganz ehrlich, das war schon kein Spaß, die das erste Mal ins Auto zu kriegen.«
    »Ich kann sie mitnehmen«, erbot sich Drake. Er sah Nora an. »Wenn es Ihnen recht ist?«
    Sie fuhren die Straße hinauf, vorbei am Rathaus, einem mexikanischen Restaurant mit einer grünen Markise und Neon-Bierreklamen im Fenster. Einen halben Block von dem Mini-Markt entfernt hielt Drake an.
    »Wollen Sie sich mit Ihrer Ausleihkarte ein paar Filme holen?«, erkundigte er sich.
    Im Auto hatten sie kein Wort gewechselt.
    »Das, und ein paar Lebensmittel«, antwortete Nora.
    Drake beugte sich nach vorn und betrachtete durch die Windschutzscheibe die Markisen, die in einer langen Reihe die Straße entlang zu sehen waren. Sie parkten neben einem Waschsalon, so dass er sämtliche Ladenschilder des Blocks lesen konnte. Am Ende der Straße sah er den großen Dieseltruck stehen. »Was ist aus dem Anhänger geworden?«, fragte er.
    »Ach, Sie wissen schon«, meinte Nora. »Der ist noch da.«
    »Bloß noch da?«
    »Hier und dort.«
    »Hoffentlich mehr hier als dort«, meinte er. »Bitte sagen Sie mir, dass ich da eben beim Sheriff das Richtige getan habe.«
    »Sie haben das Richtige getan.«
    »Sagen Sie das nicht, bloß weil ich es so haben will.«
    Nora zog eine Grimasse, dann schaute sie aus dem Fenster. Er dachte, sie würde einfach aussteigen, einfach aussteigen und ihn im Polizeiwagen sitzen lassen. Und er wusste nicht, was er dann tun würde, was er tun konnte oder wollte, wenn es dazu kam. Als sie sich wieder zu ihm umdrehte, sah er ihr an, dass sie seinen Namen vergessen hatte.
    »Bobby Drake«, sagte er.
    Wieder sah sie weg, schaute in den Waschsalon, betrachtete die Leute dort drin mit ihren umherwirbelnden Kleidungsstücken. »Bobby, ich werde nicht mit Ihnen rauffahren und Ihnen zeigen, dass es uns gut geht. Aber ich sage Ihnen, dass wir gut zurechtkommen, wir züchten Pferde und haben ein bisschen Land geleast. Und bis jetzt war alles prima.«
    »Was für Pferde?«
    »Quarter Horses.«
    »Lassen Sie die bei Rennen laufen?«
    »Noch nicht.«
    »Sie müssen ja ziemlich von der Hand in den Mund leben.«
    »Es läuft ganz gut. Im Frühjahr kommen zwei Fohlen, und ich gebe an den Wochenenden Unterricht.«
    »Vielleicht sollte ich mal vorbeischauen.«
    Nora lächelte. »Nein, ich glaube nicht, dass Phil das gut fände.«
    »Nein, das glaube ich auch nicht.«
    Nora beugte sich auf ihrem Sitz herüber und umarmte ihn. Der Geruch nach Birnen, und auch noch etwas anderes. Schweiß, möglicherweise Angst. »Danke.«
    »Augenblick«, sagte er. Sie hatte die Tür halb offen, drehte sich wieder um und sah ihn an. »Wieso hier oben? Warum so nahe bei Kanada? Warum ziehen Sie nicht einfach dorthin?«
    »Phil kennt die Gegend hier. Er kennt die Hügel, und er kennt die Berge. Wir wollten nicht irgendwo hinziehen, wo wir uns überhaupt nicht auskennen.«
    »Hätten Sie aber doch tun können. Das wäre wahrscheinlich besser gewesen.«
    »Wir sind zu alt für so was, zu alt, um noch mal von vorn anzufangen.«
    »Wenn Sie woanders hingegangen wären, hätten Sie solche Vorfälle wie diese Geschichte
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