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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
Autoren: Karl Olsberg
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Sprache, Schrift oder ein anderes Medium reproduziert, dabei teilweise mutiert und dann selektiert. Diese Selektion findet -noch - im Wesentlichen in unseren Gehirnen statt. Wie wir gesehen haben, sind Meme egoistisch. Sie »wollen«, dass wir sie replizieren. Sie locken uns, verführen uns. Aber sie können uns nicht zwingen!
    Wir entscheiden, welchen Witz wir weitererzählen und welchen nicht. Wir entscheiden, welche Produkte wir kaufen, welche Bücher wir lesen. Wir bestimmen, wem wir vertrauen - was nichts anderes bedeutet, als dass wir Meme, die eine solche Vertrauensperson uns übermittelt, als besonders reproduktionswürdig einstufen. Unser Daumen bestimmt, welcher Knopf auf der Fernbedienung gedrückt wird oder ob wir Fernseher und Computer lieber ausschalten, um mit anderen Menschen Aug in Aug Meme auszutauschen.
    Naive Menschen könnten angesichts der dargestellten Probleme fordern, »die da oben« müssten endlich begreifen, welche Gefahren von der Technik ausgehen. Die Industrie müsse aufhören, immer leistungsstärkere Computer herzustellen und miteinander zu vernetzen. Die Wissenschaftler müssten darauf verzichten, künstliche Intelligenzen herstellen zu wollen.
    Doch eine solche Forderung wäre sinnlos. Politiker und
    Unternehmensführer haben weit weniger Entscheidungsfreiheit, als ihnen oft zugeschrieben wird. Politiker tun in der Regel, was sie glauben, tun zu müssen, um wiedergewählt zu werden. Dieser oft kritisierte »Egoismus« ist tatsächlich die Basis unserer Demokratie. Denn handelten Politiker anders, würden sie sich dem Willen der Wähler widersetzen. Memetische Evolution findet auch in der Politik statt - die Parteien und Politiker, die erfolgreiche Meme in ihren Programmen haben, werden gewählt. Diese Meme sind »egoistisch« - sie versuchen, sich auszubreiten, unabhängig davon, ob sie »wahr« sind (sofern man das bei politischen Ideen überhaupt bewerten kann). Aber es sind nicht die Politiker, die entscheiden, welche Meme erfolgreich sind und welche nicht. Es sind die Wähler.
    Dasselbe gilt für die Wirtschaft. Die vermeintlich mächtigen »Industriebonzen« haben in den meisten großen Unternehmen nur einen sehr beschränkten Entscheidungsspielraum. Der Kapitalmarkt straft gnadenlos jeden ab, der eine falsche Marktentscheidung trifft - zum Beispiel Produkte herstellt, die sich nicht gut verkaufen oder die zu teuer sind, weil sie in Hochlohnländern produziert werden. Ein Vorstandsvorsitzender, der sich gegen das Diktat des Marktes und des Kapitals auflehnen würde, und sei es aus noch so vernünftigen, ethisch und moralisch zwingenden Gründen, bliebe nicht lange in seinem Job. Welche Produkte gekauft werden, welche Entscheidungen also richtig oder falsch waren, bestimmen nicht die Unternehmensführer und auch nicht die Börse, sondern die Kunden
    - letzten Endes die Verbraucher.
    Ganz gewöhnliche Menschen, Sie, ich, wir alle haben die Macht zu entscheiden, wie die memetische Evolution weitergehen soll. Hören wir also auf zu jammern, und fangen wir an zu selektieren.
    Wir wollen die Zerstörung der Umwelt durch Maschinen stoppen? Gut, dann müssen wir nur die Selektionskriterien so verändern, dass sich umweltfreundliche Meme durchsetzen. Indem wir zum Beispiel Autos mit geringerem Benzinverbrauch kaufen, sorgen wir dafür, dass die Ingenieure der Autokonzerne noch sparsamere Autos entwickeln. Wenn wir häufiger öffentliche Verkehrsmittel nutzen, tragen wir damit zu ihrer Rentabilität bei und sorgen dafür, dass möglicherweise die Strecken ausgebaut werden oder Züge häufiger verkehren. Wenn wir zu Fuß gehen oder das Fahrrad nehmen, sorgen wir allein durch unser Verhalten für die Ausbreitung solcher Meme, da andere sie beobachten und imitieren können.
    Es mag einem so vorkommen, dass man mit seinem eigenen Selektionsverhalten nur einen geringen Einfluss hat. Welcher Industrieboss beachtet schon die Kaufentscheidung eines einzelnen Käufers? Doch in einer komplexen, vernetzten Welt können selbst Einzelentscheidungen eine große Wirkung haben. Eine gute Idee, die ein einzelner Mensch hat, kann sich wie ein Lauffeuer ausbreiten. Wenn wir mit anderen über die Dinge reden, die wir für wichtig und richtig halten, dann sorgen wir damit für eine Ausbreitung dieser positiven Meme. Wir sollten dabei nicht vergessen, dass jede Spezies auf der Erde durch eine geringfügige Mutation eines kleinen Abschnittes ihrer DNA aus einer anderen Spezies entstanden ist - eine winzige
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