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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
Autoren: Karl Olsberg
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Ursache mit großer Wirkung.
    Wie groß die Macht positiver Meme sein kann, zeigt das Beispiel der Kampagne gegen den Klimawandel, die der frühere US-Präsidentschaftskandidat Al Gore ins Leben rief und für die er den Friedensnobelpreis verliehen bekam. Während sich die angeblich mächtigen Staatsoberhäupter der Welt - von vielen verschiedenen Interessen-gruppen unter Druck gesetzt - auf Klimakonferenzen kaum auf belastbare Ziele und verbindliche Abschlusserklärungen einigen können, hat Al Gore die Einstellung sehr vieler Menschen zu Energie und Umwelt verändert. Mit seinem Film »Eine unbequeme Wahrheit«, mit Konzerten und Veranstaltungen auf der ganzen Welt hat er vielen Menschen verdeutlicht, wie prekär das Problem ist, und vor allem, dass wir alle etwas tun können und tun müssen.
    Er hat unsere Selektionskriterien verändert.
    Diese Veränderung hat erhebliche Auswirkungen auf Politik und Wirtschaft. Am Beispiel der Automobilindustrie wird das deutlich: Nach der ersten Ölkrise Anfang der siebziger Jahre arbeiteten die Autohersteller fieberhaft an Möglichkeiten, benzinsparende Autos zu bauen. Tatsächlich gelang es ihnen, den Verbrauch pro 100 Kilometer drastisch zu senken, was einer der Gründe für den späteren Exporterfolg der deutschen Autoindustrie war. Konzeptstudien zeigten, dass es möglich ist, mit 3 Litern Benzin 100 Kilometer zurückzulegen, auch wenn dieser Wert bei verkauften Modellen nie ganz erreicht wurde.
    Doch die Menschen gewöhnten sich bald an die höheren Benzinpreise, und der Kraftstoffverbrauch verlor als Selektionskriterium an Bedeutung. So konzentrierten sich viele Autobauer auf neue Modeströmungen, wie die - aus technischer und ökologischer Sicht vollkommen unsinnigen -allradgetriebenen Geländewagen für den Stadtverkehr. Ein neues, vielversprechendes Mem konnte sich dagegen in Europa vorerst nicht durchsetzen: der Hybridmotor.
    Das Konzept des Hybridmotors ist seit langem bekannt. Dabei wird der Wagen gleichzeitig von einem Elektro- und einem Benzinmotor angetrieben, die über ein spezielles Getriebe miteinander gekoppelt sind. Bei einer Beschleunigung des Wagens »hilft« der Elektromotor mit, so dass der Benzinmotor weniger leisten muss und daher weniger verbraucht. Beim Bremsen und Bergabfahren wird ein Teil der Bewegungsenergie zum Aufladen der Batterien des Elektromotors genutzt. Bereits in den siebziger Jahren gab es erste Experimente mit diesem Konzept, in den Achtzigern stellten unter anderem Volkswagen und MercedesBenz Prototypen vor. Doch 1997 war es der japanische Hersteller Toyota, der das erste hybridgetriebene Serienfahrzeug auf den Markt brachte. Erst auf der Internationalen Automobilausstellung im September 2009 zeigten auch deutsche Hersteller ihre ersten Hybrid-Serienmo-delle.
    Die noch vor kurzem äußerst populären Geländewagen waren inzwischen aufgrund ihres hohen Benzinverbrauchs in der Käufergunst gesunken. Heute gilt es als schlechter Stil, noch mit einem solchen Gefährt zu fahren - zumindest überall dort, wo die Straßenverhältnisse den Gebrauch eines Allradfahrzeugs nicht erfordern. Die durch Al Gore mitverursachte Veränderung der Selektionskriterien führte inzwischen - verstärkt durch die Finanzkrise - zu einem Absatzeinbruch bei Geländewagen. Dies bewog den Hersteller Toyota, ein ursprünglich für die Produktion von allradgetriebenen Fahrzeugen vorgesehenes Werk in den USA der Produktion seines Hybridmodells »Prius« umzuwidmen.
    Genau genommen war es aber nicht Al Gore, der diesen Umschwung erreicht hat. Es waren die Menschen, die ihm zugehört und vertraut haben, die seine Botschaft, seine Meme aufgenommen und weitergegeben haben. Sie vielleicht, ich und viele mehr.
    In Bezug auf den Klimawandel und unsere Zukunft könnte man die Idee, ein Auto mit Hybridmotor zu kaufen, als ein »gutes« Mem ansehen, die Anschaffung eines
    Geländewagens als Statussymbol dagegen als »böses« Mem. Allgemein ausgedrückt: »Gute« Meme sind solche, deren Verbreitung einen positiven Effekt auf die zukünftige Entwicklung der menschlichen Spezies hat, also quasi symbiotische Meme. »Böse« Meme sind solche, deren Verbreitung negative Konsequenzen hat, in der Terminologie der Biologie also parasitäre Meme. Wir tun gut daran, gute, symbiotische Meme zu verbreiten und böse, parasitäre Meme möglichst auszumerzen.
    Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Denn was »gut« und was »böse« ist, weiß man oft erst lange, nachdem man das
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