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Schönesding!

Schönesding!

Titel: Schönesding!
Autoren: Peter Boehm
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eine Tür im Zaun zum Stadion. Da muss ich durch und dann immer an der Wand lang. Hier scheint es zu den Tennisplätzen zu gehen. Zur Not klettere ich über einen von den hohen Zäunen und renne über einen Tennisplatz, wenn es nötig ist. Da kenn ich gar nichts.
    Ich renne immer am Zaun entlang. Die kalte Luft schneidet mir in die Lungen. Dahinter sind irgendwo die Tennisplätze, aber ich kann noch keine sehen. Wo sind die denn? Die müssen doch jetzt kommen. Mann, schneller. Wo? Wo? Wo? In jedem Park, auf jedem Gelände sollte es Schilder geben. Hier lang, hier geht's raus, hier können sie vor der Schmiere fliehen.
    Noch ist keiner hinter mir. Das gibts doch nicht. Wann bin ich denn durch? Jetzt bin ich vor dem Pressezentrum, Mann, was brauch ich ein Pressezentrum. Aber jetzt ist der Zaun schon mal eine Betonmauer. Das hilft mir aber auch nicht. Ich renne einfach weiter. Rechts von mir ist die große Halle. Da spielen die im Sommer. Verdammt, Mann, das kann ich jetzt überhaupt nicht brauchen. Immer die Mauer entlang. Hoffentlich komme ich hier bald raus.
    Bingo!
    Dahinten ist es zu Ende. Da ist der Zaun zur Straße. Da drüber und ich bin direkt in der Hansastraße. Da ist unser Auto. Wahrscheinlich steht es ein bisschen weiter links.
    Da ist ja Stacheldraht dran. Mist. Ich werfe die Bänder rüber und klettere drüber. Natürlich zerreiße ich mir die Hose und das Hemd. Aber das merke ich gar nicht. Oh Mann, mein Ärmel ist aber ganz schön blutig.
    Nichts wie weg von hier. Ja, wie ich gedacht habe. Das Auto ist ein bisschen links hier runter. Aber gar nicht weit. Ich kann es schon sehen. Noch ein paar Schritte und ich bin dort. Noch aufschließen, reinsetzen und den Zündschlüssel rein. Starten. Und schon bin ich unterwegs.
     

* 32 *
     
    Meine Chancen stehen nicht gut. In einer fremden Stadt. Zumindest in einer, die ich kaum kenne. Und ein Haufen Leute hinter mir her. Da musst du realistisch sein. Das sieht nicht gut aus.
    Aber etwas anderes ist jetzt wichtiger: die Bänder. Das bin ich Felder und Hubsi schuldig. Was ich brauche, ist einen Kühlschrank. Einen guten Freund mit einem guten Kühlschrank. Einen Ort, wo ich die Bänder lagern kann, bis die Sache etwas abgekühlt ist.
    Ich überlege nicht lang. Ein Abfalleimer. In der Hallerstraße habe ich die ganze Zeit vor einem von den knallroten Dingern gekniet. Mit der schönen Aufschrift Bitte füttern! vor meiner Nase. Eine Werbeaktion der Stadtreinigung Hamburg. Da wird man schon mal nachdenklich.
    Es ist nicht viel Verkehr. Ich weiß genau, wo ich bin. Den Straßennamen kann ich mir einfach merken. Also packe ich die Bänder in eine Plastiktüte, halte kurz an, steige aus und bin jetzt ein Tourist, der eine Plastiktüte wegwirft. In meiner Tüte ist eine Bananenschale oder ein Butterbrotpapier, wenn Sie jemand fragt. Auf dem Müllkorb steht Selten so wohl gefüllt . Hätte ich auch nicht besser sagen können.
    Das war wahrscheinlich das erste Mal und letzte Mal in seinem Leben, dass der Eismann in einem öffentlichen Mülleimer gewühlt hat. Die Textnachricht an ihn habe ich vernichtet. Im Mülleimer fand er, was ich dort deponiert hatte. Und lagerte eine Plastiktüte für mich. Ich habe ihn darum gebeten. Weis ihm mal jemand nach, dass es anders war.
     

* 33 *
     
    Lange Hölle Tegel: Dreieinhalb Jahre warte ich auf diesen Moment. Dreieinhalb Jahre. Eintausendzweihundertsiebenundsiebzig Tage. Dreißig-tausendsechshundertachtundvierzig Stunden. Eine Million Achthundert-achtunddreißigtausendachthundertachtzig Minuten.
    Tick. Tick. Tick.
    Wenn das alles hier so nahtlos abgelaufen wäre, wie es sich ausrechnet, wenn jede Minute gleich lang gewesen wäre – Tick. Tick. Tick. – dann würde ich ja nichts sagen. Aber nicht jede Minute war gleich. Nicht jede Minute war sechzig Sekunden lang. Einige waren länger. Viel länger.
    Tick. Tiick. Tiiick.
    Einige und nicht einige wenige waren lange, lange Minuten des Selbstmitleids. Das sind die längsten der Welt. Das sind die, wenn du denkst, dass du dein Leben vergeudest, während die Uhr tickt, dass dir dein Leben unter den Händen zerrinnt wie dünne Suppe, während die anderen die Zeit ihres Lebens haben.
    Tiiick, Tiiick, Tiiick.
    Natürlich habe ich versucht mich von draußen abzuschotten, so gut es ging. Denn wie sang schon Rex Gildo, nicht der Verzicht ist das Problem, das Problem ist die Versuchung. Mitzukriegen, wie die Heimspieler ihren Hof bestellten, aber ich nur den Acker der subtilen Selbstqual,
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