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Schöne Lügen: Roman (German Edition)

Schöne Lügen: Roman (German Edition)

Titel: Schöne Lügen: Roman (German Edition)
Autoren: Sandra Brown
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seiner tiefen, melodischen Stimme bemerkbar. Aber die Freude verwandelte sich recht schnell in Befangenheit bei dem etwas groben Ton. Wahrscheinlich glaubte er, sie wolle ihm etwas verkaufen. »Ich … nun ja, die Angelegenheit ist ziemlich persönlich.« Sie wollte sich ihm nicht vorstellen, solange sie noch vor der Tür stand.
    »Okay, es ist wohl besser, wenn Sie reinkommen.« Er tat einen Schritt zur Seite, und sie ging zögernd durch die Tür. Noch einmal warf er einen Blick nach draußen, ehe er die Tür schloß und sich dann ihr zuwandte.
    Erst jetzt, als sie so nahe vor ihm stand, wurde ihr bewußt, wie groß er war. Für eine Frau war Erin ziemlich aufgeschossen, doch er überragte sie bei weitem. Oder vielleicht trug auch seine anmaßende Haltung zu diesem Eindruck bei. Eine Aura von Macht und Überlegenheit umgab ihren Bruder. Er war kein muskelbepackter Mann, doch strahlte er eine Kraft aus, die sie einschüchterte.
    Erin betrachtete seinen kräftigen Hals hinter der gelockerten Krawatte. Die Ärmel seines Hemdes waren bis zu den Ellbogen aufgerollt und zeigten gebräunte, muskulöse Unterarme. Der weiße Stoff des Hemdes spannte sich über einem breiten Oberkörper und einem flachen Bauch, und seine langen Beine zeichneten sich durchtrainiert unter der grauen Flanellhose ab. Vielleicht spielte er ja Basketball. Oder Tennis? Sicher trieb er Sport, da er einen so athletischen Körper besaß. Sie wußte, daß er dreiunddreißig Jahre alt war.
    Wieder hatte er das entnervende Schweigen aufgenommen und starrte sie mit der gleichen Unverfrorenheit an, mit der sie ihn betrachtete. Als sie ihre Handtasche von der Schulter nahm und sie unter ihren Arm klemmte, spannte sich jeder
einzelne Muskel seines Körpers an, obwohl er sich nicht bewegt hatte. Er sah aus wie eine Katze kurz vor dem Sprung. Leicht macht er es mir nicht gerade, dachte Erin. Vielleicht wollte er gar nicht wissen, was aus seiner jüngeren Schwester geworden war, von der er vor dreißig Jahren getrennt worden war. Vielleicht wußte er ja nicht einmal, daß es eine Schwester gab.
    »Meine Name ist Erin O’Shea«, stellte sie sich vor.
    »Miss O’Shea.« Der Klang ihres Namens aus seinem Mund mit dieser tiefen Stimme rührte sie an. Seine blauen Augen ruhten noch immer auf ihrem Gesicht. Erins Zungenspitze fuhr über ihre trockenen Lippen.
    »Dürfte ich mich setzen?« fragte sie.
    Mit der ausgestreckten Hand deutete er auf ein Zimmer zu ihrer Linken, und sie steuerte darauf zu. Ihr entging nicht die Einrichtung des Hauses, es war gemütlich, wenn auch nicht besonders kostspielig eingerichtet. Irgendwie paßte diese Einrichtung gar nicht zu dem ersten Eindruck, den sie von ihrem Bruder hatte. Sie hätte geglaubt, daß er eine nüchterne Ausstattung bevorzugte, die besser zu seiner wortkargen Persönlichkeit paßte.
    Was tue ich überhaupt? fragte sie sich. Ich bin erst einige Minuten mit ihm zusammen, und schon beginne ich seine Psyche zu analysieren! Dennoch, das Haus, dieses Zimmer, in dem sie mittlerweile auf einem bunt gemusterten Sofa saß, schienen nicht zu diesem Mann zu passen. Wahrscheinlich hatte seine Frau das Haus eingerichtet.
    »Ist Melanie zu Hause?« fragte sie höflich.
    Er antwortete ein wenig zögernd, mit einem vorsichtigen Blick. »Nein. Sie hat etwas zu erledigen.«
    Erin lächelte und entspannte sich ein wenig. Sie war froh, daß sie einige Zeit mit ihm allein sein konnte. Wenn sie sich ihm zu erkennen gab, war es vielleicht ein wenig unangenehm, dabei einen Zuschauer zu haben. »Wenn ich recht überlege, ist es ein wenig überraschend, daß ich Sie an einem Tag mitten in der Woche zu Hause antreffe. Ich hätte geglaubt, daß Sie in der Bank sind.« Sie wußte, daß ihr Bruder in einer Bank arbeitete.
    Die Augen, die sie noch immer eingehend betrachteten, wanderten jetzt zu ihrer braunen Wildledertasche, die sie neben sich auf das Sofa gestellt hatte. Er hatte so eine Art, sie zu durchleuchten, daß man glaubte, ihm würde nichts entgehen. »Ich bin heute früher nach Hause gekommen«, erklärte er.
    »Kenneth – ich darf Sie doch Kenneth nennen?« Als er nickte, sprach sie weiter. Jetzt war es so weit. »Kenneth, was ich Ihnen zu sagen habe, wird Sie vielleicht überraschen«, ihr Lachen klang nervös, »oder sogar schockieren.« Sie blickte auf ihre Hände, die fest zusammengepreßt in ihrem Schoß lagen, dann hob sie den Kopf und sah ihm direkt in die Augen.
    »Wußten Sie, daß Sie adoptiert wurden?«
    Die blauen
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