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Schöne Bescherung

Schöne Bescherung

Titel: Schöne Bescherung
Autoren: Sobo Swobodnik
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wenig, bis er zu einer näheren Erklärung ausholte.
    »Ferdinand Schnabel ist gerade wegen Mordverdachts an Eduard von Alten festgenommen worden.«
    Schreie der Bestürzung, Betroffenheit, Geflüster, Schluchzen, leises Weinen. Frau Klinkermann hielt sich die Hand vor den Mund. Heinz und Helga hielten einander fest. Herr Wilhelm kratzte sich jetzt so stark, als wollte er den ganzen Bus mit Schuppen bestäuben.
    »Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte Plotek emotionslos. »Entweder Sie steigen jetzt alle aus und schauen, wie Sie zurück nach Bayern kommen.«
    Wieder Raunen und Hände vor Mündern.
    »Oder ich fahre Sie und den Bus gemeinsam zurück nach München.«
    Noch lauteres Raunen.
    »Wer ist dafür?«
    Langsam, in Zeitlupe, gingen alle Arme nach oben. Außer dem von Silke Klein. Das schien aber eher an Verständigungsproblemen zu liegen.
    »Angenommen, mit einer Gegenstimme«, sagte Plotek. »Wenn es Ihnen recht ist, fahre ich jetzt los.«
    Das stimmte so natürlich nicht. Weil, Plotek dachte nicht im Traum daran, sich, wie Eva Petrov von ihm erwartete, ans Steuer dieses Riesenbusses zu setzen. Musste er auch nicht. Weil, Korbinian Stremmel saß schon auf dem Platz und startete den Bus. Trotzdem fing Plotek an zu schwitzen. Ähnlich ging es Stremmel. Der Grund: Stremmel konnte mit einem Bein natürlich keine drei Pedale bedienen. Die Folge: Auch Plotek musste ran. Er setzte sich auf Stremmeis Koffer neben den Fahrersitz, gab Gas und legte die Gänge ein, während Stremmel bremste und kuppelte. Teamwork quasi. Schweißtreibendes Teamwork. Der Bus fuhr, zwar nicht schnell und manchmal hoppelnd, aber immerhin geradewegs dem Ziel entgegen. Die Reisenden verstummten gänzlich. Nicht einmal Herr Wilhelm wagte noch, einen Witz zu reißen. Es schien, als fieberten jetzt alle im Bus mit Stremmel und Plotek mit. Man konnte sogar den Eindruck gewinnen, als ob nicht nur Stremmel und Plotek den Bus bedienten, sondern auch alle anderen, zumindest gedanklich und emotional, bremsten, Gas gaben und Gänge einlegten. Im Bus herrschte eine eigenartige Stimmung aus Angst, Hoffnung und Anspannung. Unheimlich geradezu. Nicht nur für Plotek. Offenbar auch für Stremmel. Er nahm immer häufiger einen Schluck aus seiner Thermoskanne. Trockener Mund, dachte Plotek und spürte, wie ihm selbst der Schweiß den Rücken entlangperlte und sich, wie zuvor bei Schnabel, tellergroße Flecken unter den Achseln bildeten.
    Sie fuhren, ohne einmal anzuhalten, bis es schließlich immer dunkler wurde. Plötzlich stieg Stremmel auf die Bremse, dass die Reisenden im Bus gegen die Kopfstützen knallten. Schreie, aufgeregtes Durcheinander. Der Bus stand. »Sch-scheiße.«
    »Was war das?«
    »E-ein H-hindern-n-nis.«
    Herr Wilhelm fluchte. Frau Klinkermann hielt sich die Stirn. Helga und Heinz fingen an zu beten und Silke Klein sagte das erste Mal etwas. Sie sagte nicht nur etwas, sondern sie schrie, nämlich: »Jeschiiiiiessss Mariaaaaaaaa!«
    So laut, dass die anderen erschraken. Ob es jetzt die impulsive Bestürzung von Silke Klein war, die die anderen aufhorchen ließ, oder weil weder Form noch Inhalt des Aufschreis zu der Silke Klein passten, die sie all die Tage erleben mussten – keine Ahnung.
    Das Handy, das Plotek seit der tschechischen Grenze, wie von Eva verlangt, auf die Ablage gelegt hatte, damit sie hautnah dabei war, fing jetzt an zu quäken: »Plotek, was ist los?«
    Es war Eva Petrovs Stimme, die jetzt nicht nur besorgt, sondern vor allem neugierig klang.
    »Plotek, was ist? Sag was!«
    »Keine Ahnung.«
    »I-ich g-glaub es w-war ein H-hund?«
    »Um Hiiimmels Wiiillen!«, schrie jetzt Frau Klinkermann, ähnlich laut und bestürzt wie Silke Klein zuvor ihr Jeschies Maria.
    Gedanken an den Zwerghasen wurden laut. Stremmel und Plotek stiegen aus. Die anderen drückten ihre Gesichter an die Scheiben. Plotek und Stremmel gingen langsam um den Bus herum, bis sie schließlich unter dem Hinterrad fündig wurden.
    »D-da l-liegt w-was!«
    Was das war, konnten beide nicht eindeutig feststellen. Irgendwie erinnerte es Plotek an die Matschbirne aus dem Alzgerner Forst. Oder an den Zwerghasen in der Handtasche. Es könnte natürlich auch ein Hund gewesen sein. Oder eine Katze. Fast alles, außer einem Elefanten.
    »E-ein Fuchs.«
    »Irgend so ein Mistvieh eben.«
    »U-und jetzt?«
    Plotek wunderte sich, dass Stremmel trotz der Aufregung kaum stotterte.
    »Zwei Möglichkeiten«, sagte er. »Beerdigen oder ganz schnell weiterfahren, weil. . .«
    Noch
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