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Schöne Bescherung

Schöne Bescherung

Titel: Schöne Bescherung
Autoren: Sobo Swobodnik
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ihn in hohem Bogen ins Tal.
    »Ich wollte das nicht.«
    »Ich weiß.«
    »Sie wissen nichts.«
    »Aber gerade eben sagten Sie noch, ich wüsste alles.«
    Stremmel lächelte. »Ja, so kann man sich täuschen!«
    Zeit gewinnen, dachte Plotek und wusste doch nicht genau wofür – egal.
    »Erzählen Sie es mir.«
    »Sie würden es nicht verstehen!«
    »Überlassen Sie das mir. Also, was ist.«
    Plotek zog an seiner Zigarette. Stremmel an seiner. Beide bliesen den warmen Rauch in die kalte Luft.
    »Ich komme aus dem Allgäu.«
    O Gott, auch das noch, dachte Plotek und war schon wieder drauf und dran, an Agnes zu denken.
    »Da wo die Berge sind, Schnee – mögen Sie Berge?«
    Plotek schüttelte den Kopf.
    »Ich auch nicht. Noch nie. Aber was soll man machen? Außer sich daran gewöhnen. Ich habe mich daran gewöhnt. Lange genug hatte ich ja Zeit.«
    Wieder synchron rauchen.
    »Warum sind Sie nicht weggegangen?«
    »Unmöglich. Den Betrieb musste jemand weiterführen. Ich war das einzige Kind. Bestattungsunternehmen in der fünften Generation. Da kann man nicht einfach Weggehen, davonlaufen, was ganz anderes machen. Also bin ich geblieben. Ich hab das Geschäft übernommen, vergrößert, ausgebaut. Es ist ein Geschäft mit Zukunft. Gestorben wird immer. Aber wenn man Geschäfte mit dem Tod macht, hat das Leben nicht viel für einen übrig. Die schönen Dinge kommen zu kurz. Frauen spielen kaum eine Rolle. Sie meiden den, der mit dem Tod auf Du und Du ist. Sie meiden einen wie mich. Von Anfang an. Einen stotternden, einbeinigen Bestattungsunternehmer will niemand. Der macht keinen Stich.«
    Klingt plausibel, dachte Plotek. Aber sich deswegen gleich in die Tiefe stürzen? Stremmel reichte Plotek den Becherovka. Plotek trank und gab ihm die Flasche nicht mehr zurück.
    »Und dann habe ich sie kennen gelernt – Magda. Über ihren Mann. Über ihren toten Mann. Er ist gestorben, Lungenkrebs. Kein schöner Tod.«
    Scheiße, dachte Plotek, auch das noch, und spürte sogleich ein Stechen in der Brust.
    »Ich habe für Magda die Beerdigungsangelegenheiten erledigt. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Sie war sehr traurig und ich verstand es, sie zu trösten. Das war mein Job, ja, und den kann ich gut. Es war aber mehr. Sympathie? Freundschaft? Liebe? Ich habe mich in sie verliebt, ja. Magda dagegen war sich nicht sicher, sagte, sie brauche Zeit. Verständlich, nach dem Tod des Mannes. Mit der Zeit sind wir uns näher gekommen. Aber leider nicht so nahe, wie ich mir das vorstellen wollte.«
    Wieder gemeinsames Rauchen, trotz Stechen in der Brust von Plotek.
    »Gut, es ist vielleicht nur eine Frage der Zeit, dachte ich, und die habe ich ihr gelassen. Ich habe sie getröstet, ihr gut zugeredet, ihr vorgeschlagen, sich abzulenken, mal zu verreisen. Das war vor genau einem Jahr. Ich Idiot habe ihr auch noch den Prospekt auf den Tisch gelegt und gesagt: Das wäre doch was für dich. Sie wollte zuerst nicht. Schließlich konnte ich sie doch noch überzeugen.«
    Stremmel lachte jetzt. »Karlsbad für eine Woche – da kommst du auf andere Gedanken, habe ich gesagt. Kam sie auch.«
    Er machte eine Pause.
    »Durch ihn.«
    »Eduard von Alten?«
    »Ja. Sie hat ihn auf der Fahrt nach Karlsbad getroffen. Er hat ihr imponiert. Er hat sie zuerst um den Finger gewickelt. Komplimente, Schleimereien, Honig um den Bart. Das ganze Programm eben. Dann hat er sie ausgenommen wie eine fette Weihnachtsgans. Alles hat er ihr versprochen, Liebe, Ehe, gemeinsamer Lebensabend, alles – nur um an ihr Geld zu kommen.«
    »Und ist er?«
    Nicken von Stremmel. »Sie hat es geglaubt, alles, alles hat sie ihm geglaubt – die dumme Gans!« Wieder Lachen, jetzt bitterer. »Sie war blind vor Sehnsucht. Er müsse sein zurückliegendes Leben erst noch in Ordnung bringen, hat er gesagt, um mit ihr ein neues beginnen zu können. Und das bedeutete: Schulden begleichen, Alimente, Scheidung, das kostete alles Geld. Eine Menge Geld. Geld, das er vorübergehend nicht hatte. Geld, das sie ihm lieh. Und nie Wiedersehen wird!«
    Klassisch, dachte Plotek, und: Irgendwie auch ein bisschen selber schuld.
    »Und dann hat er sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, noch vor Liebe, Ehe und Lebensabend. Das war ein Schock für sie. Das hat sie nicht überwunden!«
    Stremmel machte eine Pause und zündete sich eine weitere Zigarette an.
    »Seitdem ist sie völlig verändert. Verschlossen, depressiv, redet kaum noch was. Und er ist schuld.«
    »Und da wollten Sie sich
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