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Schöne Bescherung

Schöne Bescherung

Titel: Schöne Bescherung
Autoren: Sobo Swobodnik
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ehe Plotek weitersprechen konnte, saß Stremmel schon wieder auf dem Fahrersitz.
    »Verdammt noch mal, Plotek! Was ist bei euch los?«
    »Nix«, sagte Plotek ins Mobiltelefon und legte mit einem Blick zu Stremmel den Zeigefinger auf den Mund. »Irgendein angebliches Hindernis. Aber nichts zu sehen.«
    »G-gar nichts«, sagte Stremmel so laut, dass es auch Eva Petrov im Handy hören musste.
    Stremmel startete den Motor wieder und die Reisenden atmeten erleichtert auf.
    Jetzt war es finstere Nacht und es hatte zu schneien angefangen. Stremmel kniff die Augen zusammen und klebte mit dem Gesicht fast an der Windschutzscheibe. Plotek gab jetzt weniger Gas und schaltete immer erst in den nächsthöheren Gang, wenn Stremmel »Na los!« zischte. Plotek hatte jetzt das Gefühl, dass Stremmel nicht nur sein Bein beim Fahren fehlte, sondern es auch mit seinen Augen nicht zum Besten stand. Darüber hinaus schien er die Nerven zu verlieren, je länger es schneite und je näher sie dem Zuhause kamen. Der Bus fuhr mittlerweile so langsam, dass sich der Verkehr hinter ihm staute, genervte Autofahrer hupten und beim Überholen den Vogel zeigten. Auch Eva Petrov war die klammheimliche Veränderung aufgefallen. »Plotek! Plotek!«, quäkte es aus dem Mobiltelefon – bis Plotek es in seinen Pullover einwickelte und zum Schweigen brachte.
    Als endlich nach stundenlanger Fahrt die ersten Lichter Münchens auftauchten, klingelte plötzlich Schnabels Handy in Ploteks Jackentasche. Nur einmal, ganz kurz. Die kriminellen Pelzmäntel meldeten sich mit einer SMS. Plotek wickelte das Mobiltelefon von Eva Petrov wieder aus dem Pullover aus und las ihr die SMS auf Schnabels Handy vor: »Alter Flughafen. Bus abstellen. Schnell entfernen!«
    »Danke«, quäkte Eva Petrov wieder.
    Stremmel guckte irritiert, doch Plotek zuckte nur mit den Schultern.
    Zuerst lieferten sie am Ostbahnhof die Fahrgäste ab. Vor Dankbarkeit fielen die Reisenden zuerst Plotek und dann Stremmel um den Hals. Natürlich war das Plotek unangenehm. Körperkontakt prinzipiell. Bei Fremden und sogar bei Vertrauten. Obwohl es da bei Plotek nicht viele gab. Eigentlich niemanden. Höchstens Agnes. Der Körperkontakt zu ihr hat ihm vielleicht doch ein bisschen gefehlt, in der letzten Woche in Karlsbad, und in der Woche davor. Nicht nur der Körperkontakt. Auch der ohne Körper.
    Frau Klinkermann umarmte ihn und verströmte eine unangenehme Mischung aus Angstschweiß, zu süßem Parfüm und einem winzigen Hauch von Tod. Ploteks Nackenhärchen standen wieder einmal stramm. Schlimmer war es noch bei Herrn Wilhelm, der ihm mehrmals während der Umarmung auf die Schulter klopfte und immer wieder »Gut gemacht!« sagte. Plotek sah in Gedanken schon die Schuppenflechte von Herrn Wilhelm auf ihn überspringen und von ihm Besitz ergreifen. Heinz und Helga sagten, während sie alle umarmten, jedesmal dasselbe, nämlich: »Bis zum nächsten Mal!«
    Das wird es sicher nicht geben, dachte Plotek nickend.
    Als die dicke Frau Weller Plotek drückte, knackte sein Rücken und ihm war klar, wenn die jetzt nicht gleich wieder loslässt, war’s das. Sie ließ los und dann war Stremmel an der Reihe. Der schien den Körperkontakt zu genießen. Offenbar war das das erste Mal seit langer Zeit, dass ihn jemand umarmte. Wenn auch nur die schlecht riechende Frau Klinkermann oder der schuppende Herr Wilhelm.
    Als alle sich gegenseitig geherzt hatten, küsste die falsche Silke Klein Plotek auf den Mund, so heftig, dass danach seine Frontzähne schmerzten und ihm ab jetzt drei Kussmünder aus dem Gesicht guckten. Plotek verdrehte die Augen und Stremmel grinste entrückt.
    »Und jetzt fahren wir zum alten Flughafen«, sagte Plotek.
    »Wenn’s sein muss«, seufzte Stremmel.
    Komisch, Stremmel stottert jetzt überhaupt nicht mehr, dachte Plotek. Er roch an seiner Thermoskanne. Stremmel lachte.
    Auf der Fahrt zum alten Flughafen trank Stremmel ständig von der Thermoskanne und Plotek kratzte sich die Ellenbogen wund. Sie fuhren ganz langsam, nur Stremmel brummte immer wieder mal: »Mehr Gas, Plotek!« Bloß gut, dass um diese Zeit nur noch wenig Verkehr auf den Straßen war.
    Auf dem großen Parkplatz des alten Flughafengeländes neben der Neuen Messe stellten sie den Bus ab. Es war dunkel und weit und breit niemand zu sehen. Nichts wie weg von hier, dachte Plotek, bevor die kriminellen Pelzmäntel auftauchen und mit den kriminalen Ledermänteln zusammenkrachen.
    »Und jetzt?«, fragte Stremmel.
    »Abflug!«
    Sie
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