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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen
Autoren: Dietrich Weichold
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hat?«
    »Nein, es ist schon zu dunkel.«
    »Merz ist blond. Also sehen Sie, Kehgreiß muss eine Stunde früher dran gewesen sein, als es noch heller war, wenn er die Haarfarbe der beiden noch unterscheiden konnte.«

3
    »Mit dem wart ihr aber schnell fertig«, sagte Schnaidt zu Dr. Seifert von der Rechtsmedizin.
    »Ganz so schnell auch wieder nicht, obwohl nicht sehr viel zu machen war. Ihr Kunde hat kurz vor seinem Tode noch guten Appetit gehabt. Er hat ein Brot mit Leberwurst und eins mit Käse gegessen, dazu einen Apfel. Das wäre sehr gesund gewesen, wenn er nicht ziemlich viel Bier dazu getrunken hätte. 1,1 Promille am hellen Nachmittag. Wenn das seiner normalen Lebensweise entsprach, wäre er ohnehin nicht sehr alt geworden.«
    »Hat man ihm was ins Bier gekippt?«
    »Ja, das wohl auch. Aber er starb an einem heftigen Insulinschock. Er hatte eine unglaubliche Menge Insulin im Blut, viel mehr, als sich ein Diabetiker je spritzen würde, und das hat uns hellhörig gemacht. Diese Dosis kann er sich nicht selbst verabreicht haben, es sei denn, er hätte sich umbringen wollen. Aber Selbstmord durch Insulinüberdosis kommt selten vor. Andererseits weist sein Körper keinerlei Zeichen von Gewaltanwendung auf, so dass wir uns fragen mussten, was den Toten denn so willenlos gemacht hat, dass man ihm eine Injektion verabreichen konnte. Da haben wir uns das Bier noch einmal genauer vorgenommen und GHB nachgewiesen, Gamma-Hydroxy-Buttersäure, gemeinhin als K.-o.-Tropfen oder Liquid Ecstasy bekannt.«
    »Wie schnell wirkt das?«
    »Es dauert eine Weile, bis einem schwindelig wird, und dann wird man schnell ohnmächtig. Und als der junge Mann sich nicht mehr wehren konnte, hat man seinen rechten Ärmel etwas hochgeschoben und ihm eine Insulinspritze in den Arm gerammt, eine richtig starke Dosis, so dass es zum Insulinschock kam. Man kann mit fast absoluter Sicherheit sagen, dass er schon an dem Insulin gestorben wäre.«
    Dr. Seifert machte eine Kunstpause.
    »Jetzt machen Sie es doch nicht so spannend«, drängte Schnaidt.
    »Ich mache es nicht spannend. Ich möchte nur, dass Sie sich das genau vorstellen. Erst kippt ihm der Täter die Tropfen ins Bier, dann verpasst er ihm die Spritze, und dann, und das finde ich interessant, muss er dem Ohnmächtigen Mund und Nase zugehalten haben, so dass er erstickt ist. Den chemischen Befunden nach war das eine Sache von nicht einmal einer halben Stunde. Schon allein wegen der Kombination aus Alkohol und K.-o.-Tropfen hatte er sich nicht mehr wehren können, die Insulindosis war letal, da hätte es diese Handgreiflichkeit zum Schluss gar nicht mehr gebraucht. Das ist doch aufschlussreich, nicht?«
    »Klar«, stimmte Schnaidt zu und nickte nachdenklich. »Der Täter war unsicher. Er wusste nicht, ob die Insulindosis ausreicht, und hat deshalb nachgeholfen. Der Erstickungstod ist sicher?«
    »Ganz sicher. Die Werte von Blutsauerstoff und Kohlendioxyd waren recht eindeutig.«
    »Schließt dieser Befund nicht einen Täter aus den Bereichen Medizin und Pharmazie aus?«, fragte Schnaidt.
    »Es könnte sein, dass hier reichlich Halbwissen im Spiel war. Wer wirklich routiniert mit Insulin umgeht, weiß nämlich, dass er sich auf so eine große Dosis verlassen kann. Dieser Fall ist doch wirklich kurios. Eine so seltsame Kombination ist mir bislang noch nie untergekommen. Ich will mir jetzt keine kriminologischen Kenntnisse anmaßen, aber möchte doch sagen, dass ich mir in dem Fall keinen Täter, sondern eine Täterin vorstelle. Es sieht ganz danach aus, dass der Mörder vor der physischen Überlegenheit seines Opfers große Angst hatte, was eine Täterin wahrscheinlicher macht.«
    »Das meine ich auch, schon weil es zu meinen Vorstellungen nicht passt, dass zwei Männer im Schönbuch wandern gehen und der eine den andern auf diese Weise umbringt. Männer morden anders, würde ich sagen.«
    »Aus Angst, rein rational gesprochen aus Sicherheitsgründen, hat die Täterin ihr Opfer mindestens 1,5-mal umgebracht. Sehr perfektionistisch.«
    »Trotzdem hat sie viel riskiert. Die kann nicht ganz bei Trost gewesen sein. Es hätte ja jemand vorbeikommen können. Welchen Todeszeitpunkt haben Sie festgestellt?«
    »Irgendwann am Nachmittag oder am frühen Abend, frühestens um zwei, spätestens um sieben. Eine kürzere Zeitspanne können wir nicht angeben, weil niemand genau sagen kann, wie kalt es an dieser Stelle war.«
    »Auf jeden Fall war es am helllichten Tag. Da kann man auch annehmen, dass sie
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