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Schockwelle

Schockwelle

Titel: Schockwelle
Autoren: Clive Cussler
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Bramstengen wurden längsschiffs aufgestellt und mit Segeln, Wanten und Stagen versehen. Mit seinen fünfundzwanzig Metern Länge und rund zwölf Metern Breite wirkte das Floß zunächst zwar groß, doch nachdem die Verpflegung verladen war, bot es mit Mühe und Not Platz für die hundertzweiund neunzig Sträflinge, die elf Soldaten und die achtundzwanzigköpfige Besatzung des Schiffes, alles in allem zweihunderteinunddreißig Menschen, darunter auch Bully Scaggs. Am Heck brachte man ein Behelfsruder an, das durch eine Pinne hinter dem Achtermast betätigt wurde.
    Holzfässer mit Wasser, Zitronensaft, gepökeltem Rind- und Schweinefleisch sowie Käse und etliche Töpfe mit Reis und Erbsen, die zuvor in der Schiffkombüse gekocht worden waren, wurden unter einer an den Masten befestigten Persenning verstaut, die rund zwei Drittel des Floßes überspannte und Schutz vor der sengenden Sonne bieten sollte.
    Als sie ablegten, war der Himmel klar und die See so ruhig wie ein Fischteich. Die Soldaten mitsamt ihren Säbeln und Musketen wurden zuerst ausgebootet. Danach kamen die Sträflinge, die frohgemut das sinkende Schiff verließen, das mittlerweile stark buglastig war. Die Schiffsleiter konnte nicht alle tragen, daher ließen sich viele an Seilen ab oder sprangen ins Wasser, wo sie von den Soldaten geborgen wurden. Die Schwerverletzten wurden angeseilt und hinuntergelassen. Zu aller Überraschung verlief die Evakuierung ohne Zwischenfälle.
    Binnen zwei Stunden befanden sich alle an dem Platz, den Scaggs ihnen zugewiesen hatte.
    Danach kam die Besatzung. Kapitän Scaggs verließ als letzter das sinkende Schiff. Er warf dem Ersten Offizier Ramsey eine Kiste zu, in der sich das Logbuch, ein Chronometer, ein Kompaß und ein Sextant befanden. Zuvor hatte Scaggs noch die Position des Schiffes bestimmt, doch er erzählte niemandem, nicht einmal Ramsey, daß die
Gladiator
durch den Sturm fernab der üblichen Schiffahrtsrouten getrieben worden war. Sie befanden sich in einem gottverlassenen Gebiet mitten in der Tasmansee, dreihundert Seemeilen von der australischen Küste entfernt. Und was noch schlimmer war: Die Strömung trug sie immer weiter hinaus ins Nirgendwo, wo keinerlei Schiffe mehr verkehrten. Er zog seine Karten zu Rate und stellte fest, daß ihnen nur eine Hoffnung blieb. Sie mußten die Strömung und die widrigen Winde nutze n und gen Osten, auf Neuseeland, zuhalten.
    Kurz nachdem alle an Bord des Floßes waren, stellten die Passagiere bestürzt fest, daß sich aus Platzmangel immer nur vierzig Personen auf einmal hinlegen konnten. Den Seeleuten wiederum war klar, daß sie in großer Gefahr schwebten. Das Deck des Floßes lag knapp zehn Zentimeter über dem Wasserspiegel. Bei rauher See würden das Floß und seine unglücklichen Insassen überflutet werden.
    Scaggs hängte den Kompaß vor der Ruderpinne an den Mast.
    »Laßt Segel setzen, Mr. Ra msey. Kurs ein Grad, fünfzehn Minuten Ost-Südost.«
    »Aye, Käpt’n. Demnach geht’s also nicht nach Australien?«
    »Wir können allenfalls hoffen, daß wir die Westküste von Neuseeland erreichen.«
    »Wie weit ist das Eurer Meinung nach?«
    »Sechshundert Seemeilen«, erwiderte Scaggs, als erwartete sie gleich hinter dem Horizont ein sonnenbeschienener Strand.
    Stirnrunzelnd sah sich Ramsey auf dem übervölkerten Floß um.
    Sein Blick fiel auf eine Gruppe von Sträflingen, die leise miteinander tuschelten. »Ich glaube nicht, daß von uns gottesfürchtigen Männern auch nur einer gerettet wird«, sagte er schließlich mit ahnungsvollem Unterton. »Nicht bei diesem Gesindel, von dem wir umgeben sind.«
    Fünf Tage lang blieb die See ruhig. Die Menschen auf dem Floß gewöhnten sich allmählich an die eiserne Disziplin und an die kargen Rationen, die ihnen zugeteilt wurden. Am meisten machte ihnen die erbarmungslos herabbrennende Sonne zu schaffen. Viele wollten sich zur Abkühlung am liebsten ins Wasser stürzen, doch schon umkreisten die ersten Haie das Floß.
    Die Seeleute kippten eimerweise Seewasser über die als Sonnensegel dienende Persenning, doch dadurch wurde die Luft darunter nur noch stickiger.
    Allmählich schlug die Stimmung auf dem Floß um. Aus dem anfänglichen Trübsinn erwuchs Arglist. Die Männer, die zwei Monate lang in dem dunklen Laderaum der
Gladiator
eingeschlossen gewesen waren, begehrten nun, da das schützende Schiff verloren war und sie sich inmitten dieser Wasserwüste wiederfanden, auf. Scaggs bemerkte sehr wohl, daß die Sträflinge
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