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Schockwelle

Schockwelle

Titel: Schockwelle
Autoren: Clive Cussler
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das Allgemeinbefinden der Häftlinge und sorgte dafür, daß sie, soweit das Wetter es zuließ, gelegentlich und in kleinen Gruppen an Deck kamen, frische Luft schnappen und sich etwas bewegen konnten. Für die Schiffsärzte wurde es im Lauf der Zeit eine Frage der Ehre, bei der Ankunft in Sydney darauf verweisen zu können, daß sie keinen Sträfling verloren hatten. Gorman war ein barmherziger Mann, der sich um seine Schutzbefohlenen kümmerte. Wenn notwendig, ließ er sie zur Ader, stach Abszesse auf, beriet und behandelte sie, wenn sie verletzt waren, Blasen hatten oder unter Durchfall litten, achtete überdies darauf, daß die Seewasserabtritte mit Klärkalk ausgestreut, die Kleidung gewaschen und die Urinzuber gründlich gescheuert wurden. Nur selten kam es vor, daß er kein Dankesschreiben von den Sträflingen erhielt, wenn sie an Land marschierten.
    Bully Scaggs schenkte den Unglücklichen, die unter Deck eingesperrt waren, so gut wie keine Beachtung. Ihm ging es nur darum, so schnell wie möglich ans Ziel zu kommen. Sein Ungestüm und die eiserne Disziplin, die er dabei wahrte, zahlten sich aus. Die sagenhaften Rekorde, die er zu Zeiten der großen Hochseeklipper aufstellte, trugen ihm stattliche Prämien von seiten zufriedener Reeder ein und bescherten ihm und seinem Schiff ewigen Ruhm in den Annalen der christlichen Seefahrt.
    Diesmal hatte er einen neuen Rekord vor Augen. Nach dem Auslaufen in London trieb er sein mit allerlei Handelsgütern für Sydney sowie mit hundertzweiundneunzig Sträflingen, darunter vierundzwanzig Frauen, beladenes Schiff und seine Besatzung zweiundfünfzig Tage lang bis an die äußersten Grenzen ihrer Belastbarkeit und ließ selbst bei Starkwind selten die Segel einholen.
    Seine Beharrlichkeit wurde belohnt. Einmal legte die
Gladiator
in vierundzwanzig Stunden schier unglaubliche dreihundertzweiundneunzig Seemeilen zurück.
    Und dann verließ Scaggs das Glück. Achteraus am Horizont dräute das Verhängnis.
    Einen Tag nachdem die Gladiator die Baßstraße zwischen Tasmanien und der Südspitze Australiens durchfahren hatte, zogen düsterschwarze Wolken am Abendhimmel auf und verdeckten die Sterne, währen die See zusehends rauher wurde.
    Ohne daß Scaggs etwas davon ahnte, braute sich jenseits der Tasmansee ein Taifun zusammen und raste auf das Schiff zu.
    Den Urgewalten des Pazifischen Ozeans aber waren die schnellen, schnittigen Klipper erbarmungslos ausgesetzt.
    Der nahende Sturm war, wie sich später erweisen sollte, der mörderischste und verheerendste Taifun, der die Südsee seit Menschengedenken heimgesucht hatte. Von Stunde zu Stunde wurde der Wind heftiger. Riesige Wellenberge türmten sich auf und rollten aus der Dunkelheit über die
Gladiator.
Viel zu spät gab Scaggs den Befehl zum Segelreffen. Ein heftiger Windstoß fuhr in die Takelage, riß die Segel in Fetzen, knickte die Masten um und schmetterte sie samt Wanten und Rahen aufs Oberdeck.
    Im nächsten Moment schwappten weitere Wellen heran und spülten das Gewirr aus geborstenem Holz und gerissenem Gut über Bord, als wollten sie das Chaos aufräumen. Eine zehn Meter hohe Woge brach über das Heck herein, zerschmetterte die Kapitänskajüte und schlug das Ruder los. Die Sturzsee rollte längsseits über das Schiff hinweg und riß sämtliche Boote sowie Steuer, Deckshaus und Kombüse mit sich.
    Die Luken wurden eingedrückt, und ungehindert ergossen sich die Wassermassen in den Laderaum.
    Diese eine gewaltige Woge hatte den stolzen Klipper von einem Moment zum anderen in ein hilflos treibendes Wrack verwandelt.
    Ihrer Segel und Ruder beraubt, wurde die
Gladiator
von den Sturzseen herumgeschleudert wie ein Stück Holz. Die unglückliche Be satzung und die Sträflinge, die dem Toben des Sturmes machtlos ausgeliefert waren und sich dem sicheren Tod geweiht wähnten, konnten lediglich abwarten, bis das Schiff endgültig in den Tiefen des Meeres versank.
    Als die
Gladiator
zwei Wochen überfällig war, schickte man Schiffe aus, die die bekannten Klipperrouten durch die Baßstraße und die Tasmansee absuchen sollten. Doch sie stießen weder auf Überlebende noch auf Treibgut. Die Eigner schrieben sie ab, die Versicherungsträger kamen für den Schaden auf, die Angehörigen der Besatzungsmitglieder und der Sträflinge trauerten um die Dahingeschiedenen, und das Schiff geriet im Laufe der Zeit allmählich in Vergessenheit.
    Manche Schiffe galten von vornherein als schwimmende Särge oder Seelenverkäufer, doch nicht
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