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Schockwelle

Schockwelle

Titel: Schockwelle
Autoren: Clive Cussler
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und sämtliche Vögel aufschwirrten und aufgeregt am Himmel kreisten. Er hörte weder das seltsame Summen, noch spürte er, wie das Land bebte, noch sah er, daß sich plötzlich das Wasser der Lagune kräuselte, als die Schallwellen mit ungeheurer Wucht und Intensität auf den unterseeischen Sockel von Gladiator Island trafen.
    Kurz vor der Tür zum Salon drehte er sich noch einmal um und schaute zu den Wachen. Wie angewurzelt standen sie auf dem Kai, dessen Planken wie Wellen auf und ab wogten. Sie hatten ihre Opfer vergessen und deuteten auf eine kleine, graue Rauchwolke, die sich über dem Mount Scaggs ausbreitete.
    Giordino sah die Männer, die wie Ameisen aus dem Tunnel am Fuße des Vulkans strömten. Auch im Mount Winkleman ging anscheinend irgend etwas vor sich. Pitts Warnung, daß die ganze Insel in Rauch aufgehen werde, fiel ihm wieder ein.
    Er stürmte in den Salon, erstarrte und stöhnte gequält auf, als er das Blut sah, das aus Pitts Brust- und Hüftwunde quoll. Dann bemerkte er das Einschußloch mitten in Maeves Bauch und schließlich Deirdre Dorsett, die mit unnatürlich verkrümmtem Rücken auf dem Couchtisch lag.
    »Herrgott, was ist passiert?«
    Pitt blickte auf, ohne zu antworten. »Sind die Vulkane schon ausgebrochen?«
    »Aus beiden Bergen steigt Rauch, und die Erde bebt.«
    »Dann ist es zu spät.«
    Giordino kniete sich augenblicklich neben Pitt und starrte auf Maeves Wunde. »Das sieht böse aus.«
    Sie schaute ihn mit flehentlichem Blick an. »Bitte nimm meine Jungs und laß mich hier.«
    Giordino schüttelte heftig den Kopf. »Das kann ich nicht.
    Entweder fliegen wir gemeinsam weg oder gar keiner.«
    Pitt streckte die Hand aus und packte Giordino am Arm.
    »Dafür ist keine Zeit. Jede Sekunde kann die ganze Insel in die Luft fliegen. Ich schaff’s auc h nicht. Nimm die Jungs und hau ab, weg mit dir.«
    Giordino war fassungslos und wie betäubt. Nichts mehr war geblieben von der trägen Gelassenheit, der schlagfertigen Spöttelei, die ihn sonst auszeichneten. Seine breiten Schultern schienen förmlich einzusinken. Nie im Leben konnte er seinen besten Freund, mit dem er seit dreißig Jahren durch dick und dünn ging, dem sicheren Tod überlassen. Unschlüssig und mit gequälter Mine stand er da.
    »Ich kann euch nicht hierlassen.« Giordino bückte sich und schob die Arme unter Maeve, so als wollte er sie tragen. Er nickte Pitt zu.
    »Bin gleich wieder zurück.«
    Maeve stieß seine Hände weg. »Begreifst du denn nicht, daß Dirk recht hat?« murmelte sie kraftlos.
    Pitt reichte ihm Rodney Yorks Logbuch und die Briefe. »Sieh zu, daß Yorks Familie die bekommt«, sagte er kühl und gelassen. »Und jetzt, um Himmels willen, schnapp dir die Jungs und hau ab!«
    Giordino schüttelte gequält den Kopf. »Du gibst nie auf, was?«
    Draußen verdunkelte sich plötzlich der Himmel, als unter lautem Donnergrollen eine schwarze Aschenwolke aus dem Krater des Mount Winkleman hervorbrach und sich wie ein riesiger Schirm über der Insel ausbreitete. Dann ertönte eine weitere, noch gewaltigere Explosion, bei der Tausende Tonnen glutflüssiger Lava in die Luft geschleudert wurden.
    Giordino hatte das Gefühl, als werde ihm die Seele aus dem Leib gerissen. Ein eigenartiger Ausdruck, teils Trauer, teils Verständnis, lag in seinen Augen, als er schließlich nickte und den Kopf abwandte. »Na schön.« Dann ein letzter Scherz. »Da mich hier keiner haben will, hau’ ich eben ab.«
    Pitt ergriff seine Hand. »Mach’s gut, alter Freund. Danke für alles, was du für mich getan hast.«
    »Bis demnächst«, murmelte Giordino mit brechender Stimme, während ihm die Tränen in die Augen traten. Wie ein gramgebeugter, kummerbeladener alter Mann stand er da. Er wollte noch etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus. Dann schnappte er sich Maeves Kinder, klemmte sie sich unter die Arme, und weg war er.
56
    Die Atmosphäre kann man erkunden, desgleichen, wenn auch unter Einschränkungen, die Meere, doch Charles Bakewell und die Wissenschaftler am Vulkanobservatorium in Auckland konnten nicht in das Innere der Erde hineinsehen. Daher konnten sie weder das Ausmaß noch die Abfolge der tektonischen Reaktionen vorhersagen, die von den vor Hawaii abgeleiteten Schallwellen auf Gladiator Island ausgelöst werden würden. Zumal es keine warnenden Vorzeichen gab wie bei den meisten anderen Vulkanausbrüchen oder Erdbeben, die man hier untersucht hatte, keine Vorbeben, Schwankungen im Grundwasserspiegel oder ungewöhnliche
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