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Schockstarre

Schockstarre

Titel: Schockstarre
Autoren: F Schmöe
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eines Schiffsmodells.
    »Exakt. Das Verrückte ist: Wenn Thurid nicht durchgedreht und Ihnen nachgeschlichen wäre, um wild um sich zu schießen, dann hätten wir ihr nie was nachweisen können«, bestätigte Carolin Metze und setzte sich neben Katinka.
    »Es gibt keine Beweise«, bestätigte Schilling. »Wir hätten uns auf Hartmann eingeschossen. Ihn gefunden, ihn unter Druck gesetzt, am Ende aber aufgeben müssen. Der Fall wäre nie geklärt worden. Thurid hätte weiter den schockierten Schützling des fürsorglichen Förderers gespielt.«
    »Wo hat sie dieses andere Schießeisen her?«, fragte Katinka.
    »Das ist Freddy Hartmanns Waffe«, antwortete Carolin Metze. »Wir nehmen an, dass sich Thurid bei Hartmanns aufhielt und Freddys Pistole an sich nahm.«
    »Ich glaube trotzdem, dass Hartmann um die Hütte geschlichen ist, letzte Nacht, und nicht Thurid«, sagte Katinka.
    »Warum Hartmann?«
    Es ging Katinka schon seit Stunden durch den Kopf.
    »Wie konnte Edith Hartmann sonst wissen, wo ich war? Er muss es ihr gesagt haben. Ich bin sicher, sie wollte mit mir reden, wegen Thurid.«
    Carolin Metze nickte bedächtig, setzte sich neben Katinka auf das Sofa und zog ihre Schlafanzughose zurecht.
    »Edith hat Thurid unter ihre Fittiche genommen. Vielleicht hat Thurid Andeutungen gemacht, dass sie in der Klemme steckt, und Edith machte sich auf, mit Ihnen zu sprechen«, sagte sie.
    Katinka sah Schilling an. Er saß ihnen gegenüber in einem Sessel, die Handflächen aneinandergelegt, mit den Fingerspitzen an seine Stirn tippend.
    »Aber als Edith starb, brannte bei Thurid eine Sicherung durch. Ich wollte sie gestern zu Hause besuchen«, erzählte Katinka. »Sie machte nicht auf, muss uns aber nachgefahren sein. Wir fuhren zuerst nach Seidmannsdorf, damit ich meine Sachen aus dem Auto holen konnte. Dann wollte Hardo sehen, ob ich den Weg zur Veste von dort aus noch finden würde. Wir stiegen aus und gingen zur Burg rauf, einfach nur um zu gucken. Sie muss hinter uns hergekommen sein.«
    Katinka spürte die Tränen wie eine Fontäne in sich hochsprudeln, stellte die Tasse weg und presste beide Fäuste auf die Augen.
    Sie sah Hardos fahles Gesicht und sein kurzes Lächeln. Ein Abschiedslächeln. Carolin Metzes Hand auf ihrer Schulter bemerkte sie kaum.
    »Thurid ist komplett ausgerastet«, sagte Schilling. »Wenn jemand dermaßen um sich schießt …«
    »Wolf«, mahnte Carolin Metze.
    Katinka biss sich auf die Lippen und mobilisierte die letzten Kraftreserven.
    »Thurid«, sagte sie und sah zuerst Schilling, dann Carolin Metz an, »hat aller Welt weisgemacht, wie schockiert sie über Mendels Tod war. Sie war wirklich schockiert – aber darüber, dass sie ihn erschossen hatte. Dass sie eine Mörderin war.« Katinka brauchte einen Augenblick, um ihre Gedanken in eine schlüssige Struktur zu pressen. »Eine extreme Erregung kann Planlosigkeit und hektische Aktivität hervorrufen, aber auch das Gegenteil. Thurid steckte nach dem Mord an Mendel in einer Schockstarre fest. Wie ein Tier, das sich totstellt. Sie bemühte sich, ihr ganz normales Leben weiterzuführen. Wenn sie nicht ausgetickt wäre …«
    »Wir wissen jetzt jedenfalls, wie sie an Ihre Waffe kam, Frau Palfy«, begann Carolin Metze und grinste verhalten, als Schilling ihr ins Wort fiel. »Mendel kam, so sagt Thurid jedenfalls, am Sonntagabend, nachdem er Ihnen die Pistole geklaut hatte, ins Büro, um sie dort zu verstauen. Thurid war auch da, sie musste irgendeine Arbeit beenden. Sie beobachtete, wie er die Pistole in die Schublade seines Schreibtisches legte. Es reizte sie einfach, sie ihm wegzunehmen. Mendel ging auf die Toilette und sie spazierte frisch, frei, fröhlich in sein Büro und nahm die Waffe wieder raus.« Schilling fuhr mit den Fingern die Tischkante entlang. »Aber später«, erzählte er weiter, »bemerkte Mendel den Verlust. Thurid machte zum Abschied wohl irgendeine spitze Bemerkung. Als er nach der Pistole sah, war sie weg. Er rief Thurid an. Niemand außer ihr konnte die Waffe genommen haben.«
    »Ich ahne es«, rief Katinka. »Sie verabredeten sich im Hofgarten, vielleicht wollte Thurid ihm die Pistole tatsächlich zurückgeben. Aber als sie da stand, auf ihn wartete und ihn schließlich kommen sah, hat sie für einen kurzen Moment die Kontrolle verloren. Sie hat eine Art Chance gesehen. Sich zu befreien, den Druck loszuwerden, mit dem Mendel sie erstickt hat. Ein Gefühl der Macht. Sie hat abgedrückt. Selbst nach dem ersten Schuss hätte sie
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