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Schnüffler auf Burg Schreckenstein

Schnüffler auf Burg Schreckenstein

Titel: Schnüffler auf Burg Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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Rex den Zeigefinger. „Du hast mich noch nie Traktor fahren sehen.“

Sportlicher Beethoven

    An der Wand im Rittersaal standen die Blechanzüge der Ahnen, die Rüstungen der Grafen von Schreckenstein aus jenen Zeiten vor Erfindung des Pulvers, wo Streitigkeiten, die man heutzutage Rechtsanwälten überläßt , noch eigenhändig mit dem Schwert ausgetragen wurden.
    Kleinwüchsig waren sie gewesen, die Vorfahren des jetzigen Burgherrn.
    Graf Bodo wurde von den jungen Rittern seiner schmalen, stark gebogenen Nase wegen kurz Mauersäge genannt. Er hatte ihrer Bitte, den Saal benutzen zu dürfen, sofort entsprochen: „Mit einer… ks… kulturellen Veranstaltung bin ich… ks… immer einverstanden!“
    „Schalten“, sagten die Ritter zu diesen eigentümlichen Zwischenlauten, die sich anhörten, als müsse er seine Nase für das nächste Wort durchpusten. „Mauersäge schaltet wieder!“
    Noch während der Nacht hatte die Transportgruppe die Leihgabe in den Saal gebracht, der durch eine stets abgeschlossene Tür mit dem Schultrakt verbunden war. Doch Dampfwalze besaß einen Nachschlüssel. Überhaupt gab es keine Tür, die den Rittern Probleme bereitet hätte. Auf der Burg ebensowenig wie auf Schloß Rosenfels.
    Der Klavierstimmer wurde nicht gebraucht. Das Instrument hatte die Regennacht überstanden, ohne die Stimmlage zu ändern und zeigte sich damit widerstandsfähiger als Strehlau . Der Musterschüler blätterte für die Pianistin des Abends, für das dicke Fräulein Böcklmeier , ihres Zeichens Lehrerin auf Rosenfels, die Noten um. Dabei mußte er mehrmals ein Niesen unterdrücken, das ihn vor allem an leisen Stellen heimsuchte.
    Fräulein Böcklmeier spielte die Piano- und Pianissimopassagen mit einer Hingabe, die es den Zuhörern schwermachte, ernst zu bleiben. Mit gespitztem Mündchen bewegte sie ihre Puddingfigur hin und her und löste dabei die Finger von den Tasten, als würde sie Kaugummi in die Länge ziehen. Neben ihr krümmte sich der Musterschüler, um den nächsten Niesreiz zu unterdrücken.
    Lehrer und Lehrerinnen der beiden Schulen, Ritter und Mädchen lauschten in bunter Reihe dem erlesenen Kulturangebot. Beatrix und Sophie saßen zwischen Stephan und Ottokar, Dampfwalze hatte zu Ehren Beethovens sein gelbes Halstuch umgebunden und neben Ingrid Platz genommen. Sonja Waldmann saß zwischen ihrem Vater und Schießbude, dem kleinsten und jüngsten Lehrer auf der Burg, Fräulein Doktor Horn lauschte andächtig zwischen dem Rex und Mauersäge.
    „Von der Seite sehen sie wieder wie Geschwister aus!“ raunte Beatrix Stephan ins Ohr.
    Die Ähnlichkeit zwischen Burgherrn und Internatsleiterin war tatsächlich verblüffend. Aber nur rein äußerlich.
    „Auf den Rex ist sie obersauer!“ meinte Sophie. Sie hatte das Telefongespräch der beiden mitbekommen und Stephan und Ottokar sofort berichtet.
    „Nach dem Frühstück hat die Horngemerkt, daß der Flügel weg ist und sofort angerufen. Ich war grad bei ihr im Zimmer und hab frische Blumen geordnet. Also euer Rex war einsame Klasse! Er hat sie zur Weißglut gebracht, und sie konnte nichts machen. ,Graf Schreckenstein und ich laden Sie herzlich ein, mit Ihren Mädchen!’ hat er gesagt. ,Im Austausch zu dem Lichtbildervortrag findet das Konzert bei uns auf der Burg statt.’“
    „Seine alte Taktik!“ hatte Ottokar genüßlich festgestellt. „Wenn sie pampig wird, kommt er ihr mit Mauersäge, und schon schmilzt sie dahin.“
    Dieter, sein Intimus Klaus, Werner und Fritz, der Seltenfröhlich, hatten die drei Rosenfelser Kratzbürsten Martina, Esther und Doris zur Sicherheit in die Mitte genommen, weil man bei ihnen, auch wenn sie noch so artig in ihren blauen Kleidern dasaßen, immer mit einem Zwischenfall rechnen mußte. Nicht alle Ritter wohnten dem Kunstgenuß bei. Da es auf der Hand lag, daß die Mädchen den Abend auf der Burg zu irgendeiner Gegenaktion ausnutzen würden, hatten sich die vier Miniritter, der kleine Eberhard, der kleine Herbert, der kleine Kuno und der kleine Egon, freiwillig zur Wache gemeldet. Während Fräulein Böcklmeier Unmengen Kaugummi aus den Tasten zog, durchstreiften sie immer und immer wieder die hellerleuchteten Korridore, den Eßsaal , den Burghof, das Wohnzimmer, den Klassentrakt und die Folterkammer, samt allen Kellern und Nebenräumen.

    Nicht vergeblich, wie sich zeigen sollte.
    „Ich sag dir, die großen Mädchen sitzen alle vollzählig da, aber die Kleinen, wo’s nicht auffällt, die machen was!“ hatte der
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