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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller
Autoren: Marc Raabe
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es dampft. Über dem Eingang rotiert das rote Licht der Alarmanlage wie ein Feuermelder und lässt den Dunst glühen.
    Verdammtes Geisterhaus, denkt Gabriel.
    Wie immer, wenn er vor einem Gebäude steht, das er betreten will, muss er an den Keller denken und daran, wie wohl die Treppe aussieht, die dort hinabführt. Seine Nackenhaare richten sich auf, und er schielt empor zum Dach.
    Dieses Haus ist alt, und in alten Häusern sind die Alarmanlagen meistens im Keller.

Kapitel 3
    Berlin – 1. September, 23:22 Uhr
    Liz drängelt sich mühsam durch die brechend volle Kneipe, auf den Ausgang zu. Dr. Robert Bug, der Nachrichtendirektor von TV 2, steht an der Theke und weicht nicht einen Zentimeter zurück, so dass Liz ihn streifen muss, um an ihm vorbeizukommen. Bug grinst, schiebt sich mit seiner ganzen Körperfülle Liz entgegen und streift ihre Brüste. »Sieh an, sieh an. Unsere Frau Top-Journalistin«, tönt er und starrt ungeniert auf sie herab. »Wolltest du mir nicht das Exposé für deine neue Doku schicken?«
    Dir schick ich nur noch was, wenn’s die anderen Sender nicht nehmen, denkt Liz. »Ich recherchier noch«, sagt sie mit einem schalen Lächeln. Dass sie vor wenigen Minuten einer von Bugs Intrigen lauschen musste, macht alles nur noch ekliger.
    Sie stößt die Tür auf und tritt ins Freie. Die nasse Straße dampft, aus dem Rinnstein strömt Regenwasser in die Gullys. Hinter ihr fällt die Tür zu, und der Lärm aus dem Linus verebbt. Die Leuchtschrift über dem Eingang der Kneipe taucht Liz in glühendes Orange, die gelben Strahler an den Säulen neben der Tür tun ein Übriges. Fegefeuer.
    Für einen Moment schließt Liz die Augen und saugt gierig die feuchte Luft in ihre Lungen. Ein Windstoß fährt durch ihre halblangen roten Haare, die widerspenstig, in einer Art geordnetem Chaos, von ihrem Kopf abstehen, etwa so, als hätte sie unmittelbar nach dem Aufstehen eine Dose Haarspray hineingesprüht. Der kühle Wind tut gut. Drinnen war die Luft heiß und ranzig, regelrecht stinkig. Neuerdings riecht sie Dinge, die ihr früher so nie aufgefallen wären: Achselschweiß, billige Deos, Reste von Zigarettenrauch oder die säuerliche Note von Kaffee im Atem. Der Geruch fremder Menschen dringt in sie ein, ohne dass sie etwas dagegen tun kann.
    Unwillkürlich muss sie an Gabriel denken, daran, wie gut seine Haut riecht, obwohl er das Parfüm, das sie ihm geschenkt hat, konsequent verweigert – so wie jedes Parfüm. Sie spürt, dass ihr warm wird zwischen den Beinen, und beeilt sich, die Gedanken zu verdrängen, vor allem um die Enttäuschung über das Telefonat mit ihm nicht spüren zu müssen.
    Liz wirft einen Blick zurück auf die Kneipe. Durch die hohen Glasfenster kann man ins Innere sehen, und an der Theke meint sie, Bugs fleischiges Gesicht und seinen dichten braunen Haarschopf zu erkennen. Mr News. Sofort ist sie wieder im Job. Die kuriosesten Storys überfallen einen immer da, wo man sie am wenigsten erwartet, denkt sie. Zum Beispiel spätabends auf dem Männerklo.
    Die Herrentoilette hatte ekelerregend nach Urin gestunken, aber im Gegensatz zur überfüllten Damentoilette war sie frei. Ekel ist relativ. Und ihr Bedürfnis war absolut – nicht zuletzt wegen ihres Zustands. Als sie die Tür der Herrentoilette aufstieß, glotzte ihr eine dieser Etepetete-Zicken aus der Warteschlange hinterher, als hätte sie die Krätze. Sie kannte diesen Blick, und sie hasste ihn. Es war der gleiche Blick, mit dem ihre Mutter und ihre jüngere, bildhübsche Schwester Charlotte sie immer angesehen hatten. Für ihre Mutter war alles an Liz falsch, so wie alles an Charlotte richtig war. Dass ihre Schwester auch noch in den britischen Adel eingeheiratet hatte und nun mondäne Hüte beim Pferderennen in Ascot zur Schau trug, machte alles nur noch schlimmer.
    Liz betrat also die Herrentoilette und wünschte Mrs Etepetete die Pest an den Hals oder zumindest eine ebenso unerträglich drückende Blase wie die ihre. Es war unglaublich, aber der Platz in ihrem Bauch schien jetzt schon zu schrumpfen.
    Die Toilettentür schwang hinter ihr zu und verwandelte den Kneipenlärm in ein leises dumpfes Wummern. Sie suchte sich die sauberste der drei Kabinen aus und schloss ab.
    Nur einen kurzen Moment später schwappte erneut eine Lärmwelle herein, und jemand anders betrat
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