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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller
Autoren: Marc Raabe
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stieg ein scharfer chemischer Geruch, wie im Filmkopierwerk, in das Vater ihn einmal nach einem seiner Drehtage mitgenommen hatte.
    Sein Herz galoppierte. Viel zu schnell, viel zu laut. Er wünschte, er wäre woanders, bei David vielleicht, unter der Bettdecke.
    Luke Skywalker würde sich niemals unter der Bettdecke verkriechen.
    Die Finger seiner linken Hand suchten zitternd nach dem Lichtschalter, ständig darauf gefasst, etwas ganz anderes zu finden. Was, wenn sie hier waren, die Gespenster? Wenn sie seinen Arm packten? Wenn er ihnen aus Versehen ins Maul fasste und sie ihre Zähne zusammenschlugen?
    Da! Kühles Plastik.
    Er drückte den Schalter. Drei rote Lampen flammten auf und tauchten den Raum vor ihm in eine eigentümliche dunkelrote Glut.
    Rot, wie im Bauch eines Monsters.
    Ein Kribbeln stieg seinen Rücken empor, bis zu den Haarwurzeln. Er blieb an der Schwelle zum Labor stehen, irgendwie war da so etwas wie eine unsichtbare Grenze, die er nicht übertreten wollte. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, Einzelheiten zu erkennen.
    Das Labor war größer, als er gedacht hatte, ein Schlauch, etwa drei Meter breit und sieben Meter tief. Direkt neben ihm hing ein schwerer Vorhang aus schwarzem Molton. Jemand hatte ihn hastig beiseitegerafft.
    Unter der Betondecke waren Wäscheleinen gespannt, an denen Fotos hingen. Einige waren heruntergerissen worden und lagen auf dem Boden.
    Auf der linken Seite stand ein Vergrößerer für Fotos. Rechts erstreckte sich ein Regal über die gesamte Wand, vollgepackt mit Geräten. Gabriels Augen weiteten sich. Die meisten der Geräte erkannte er sofort: Arri, Beaulieu, Leicina, und dazwischen noch andere, kleinere Kameras. Die Fachzeitschriften, die sich in Vaters Arbeitszimmer im ersten Geschoss stapelten, waren voll davon. Immer, wenn eine dieser Zeitschriften in den Müll gewandert war, hatte Gabriel sie herausgefischt, unter seinem Kopfkissen deponiert und abends unter der Decke im Taschenlampenschein gelesen, bis ihm die Augen zufielen.
    Neben den Kameras lagen ein Dutzend Objektive, einige so lang wie Gewehrläufe; daneben kleinkalibrige Fotoapparate, Hüllen zum Dämpfen der Laufgeräusche der Kameras, 8- und 16-mm-Filmpatronen, ein Stapel aus drei VHS -Videorecordern mit vier Monitoren und zuletzt: zwei nagelneue Videocamcorder. Plastikbomber schimpfte Vater die Dinger immer. In einer der Zeitschriften hatte er gelesen, man könne mit der neuen Videotechnik fast zwei Stunden filmen, ohne die Kassette zu wechseln – einfach unglaublich! Dazu kam, dass die Plastikbomber nicht so ratterten wie Filmkameras, sondern geräuschlos liefen.
    Gabriels Blick wanderte über die Schätze, seine Augen glänzten. Er wünschte, er könnte das alles hier David zeigen. Sofort bekam er ein schlechtes Gewissen. Schließlich war das hier gefährlich. Da durfte er David nicht mit hineinziehen. Außerdem hatte sein Bruder schon geschlafen. Es war richtig gewesen, die Tür vom Kinderzimmer abzuschließen.
    Plötzlich polterte es laut. Erschrocken fuhr er herum. Doch da war niemand. Keine Eltern, kein Gespenst. Sie stritten wohl immer noch, oben in der Küche.
    Er blickte zurück ins Labor, auf all die Schätze. Komm näher , schienen sie zu flüstern. Aber er stand immer noch an der Schwelle, neben dem Vorhang. Furcht kroch in ihm empor. Noch konnte er zurück. Er hatte das Labor ja jetzt gesehen, er musste es nicht auch noch betreten.
    Elf! Du bist elf! Komm schon, sei kein Feigling.
    Wie alt war eigentlich Luke?
    Zögernd tat Gabriel zwei Schritte in den Raum.
    Was waren das für Fotos? Er bückte sich, hob eins vom Boden auf und starrte auf das verwaschene grobkörnige Bild. Ein jähes Gefühl von Ekel und eine seltsame Erregung breiteten sich in seinem Unterleib aus. Er sah nach oben, auf die Fotos, die an der Wäscheleine hingen. Das Bild direkt über ihm zog seinen Blick an wie ein Magnet. Sein Kopf wurde heiß und rot, wie alles um ihn herum auch. Zugleich wurde ihm ein wenig übel. Es sah so echt aus, so … oder waren das Schauspieler? Es sah aus wie im Film! Diese Säulen, die Mauern, wie im Mittelalter, und die schwarzen Kleider …
    Er riss sich los, und sein Blick sprang über die zerwühlte Ablage, das Regal und blieb schließlich an den modernen Videorecordern hängen, auf denen kleine JVC -Logos glitzerten. Der unterste davon war eingeschaltet.
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