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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod
Autoren: Brigitte Aubert
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vielsagenden Blick, »So, so«, während Greg den Beleg unterschrieb. Chib war müde, er wollte nach Hause und schlafen. Doch er hörte schon Gregs Proteste.
    Draußen ließen ein paar Typen ihre schweren Maschinen aufheulen. Ein lauer Wind trug das Rauschen der Wellen vom Meer her, die weiter unten über den einsamen Strand rollten, bis zu ihnen. Vor der Terrasse der benachbarten Pizzeria spielte ein junger Kerl auf seiner elektrischen Gitarre McLaughlin, gar nicht übel …
    Chib versuchte, sich zu verdrücken, doch wie er's geahnt hatte, protestierte Greg lautstark. Er ließ sich breitschlagen, mit ihnen ins Sofa, Gregs Nachthöhle, zu gehen. Im Rover kicherten die Mädchen unentwegt, gaben ihre Kommentare ab zu den Passanten, die über den Kai flanierten, und staunten lauthals über die schicken, blank polierten Luxusyachten. Als sie am Kasino vorbeifuhren, stießen sie kleine aufgeregte Schreie aus, und Greg, der große Prinz, wendete und hielt mit quietschenden Reifen vor dem parking valet.
    Zack, die Schlüssel fliegen dem Typen in blau-goldener Uniform entgegen, »Hier, mein Guter«, und hopp, man hilft den jungen Damen aus dem Wagen »Nun mach schon, Chib«, und man tritt gelassen und siegessicher ein, als wäre man zu Hause.
    Sanfte, leicht jazzige Musik, Art-deco-Ambiente, ein riesiges Aquarium mit exotischen Fischen und der Raum mit den Automaten, vibrierend von Klirren und Summen, von klingelnden Lichtern, von Spots und von Rufen. Ein Höllenlärm, der in Spiralen bis zu der hohen Decke aufstieg. Greg zog ein dickes Bündel mit zerknitterten Hundert-Euro-Scheinen aus der Tasche. Er reichte jedem Mädchen einen. »Amüsiert euch ein bisschen, meine Schönen.« Erneutes Glucksen. Empfehlungen von Greg-dem-Strategen, welches die guten und die schlechten Automaten sind: »Hopp, es geht direkt zu den Zwei-EuroAutomaten, man spielt schließlich nicht mit den Hinterwäldlern, aber warte, ich würde gern eine kleine Tour zu den Zehn-EuroMonstern machen, was meinst du, Chib?«
    Chib nickte. Wie du willst, Greg, also los, Greg, hauen wir dein Geld auf den Kopf.
    Mit einer Schachtel voller großer Jetons unterm Arm, eine Monte Cristo im Mundwinkel, prüfte Greg den Automaten mit zusammengekniffenen Augen, als dächte er: Wirst schon sehen, du Schlampe, mit mir ist nicht zu spaßen, während Pam und Sophie den vom Haus spendierten Champagner schlürften.
    Chib dachte unterdessen an Antoine di Fazio. Hatte er genug Sägespäne? Er hatte vergessen, in der Vorratskammer nachzusehen.
    Bei jeder Runde gab die Geldmaschine ein Ritornell, bei jedem Gewinn triumphierende Klänge von sich. Greg gewann, versteht sich. Die wenigen Male, die Chib gespielt hatte, hatte er verloren. Haushoch verloren. Greg dagegen gewann immer. Greg war das lebende Beispiel für die Ungerechtigkeit der menschlichen Existenz. Er hatte nie einen Finger gekrümmt, um Erfolg zu haben, er dachte nur daran, sich zu amüsieren, seine Umgebung war ihm völlig egal, und alles gelang ihm.
    »Materieller Erfolg ist nichts als ein Irrlicht, eine Hand voll Sand, der im Wind der Ewigkeit zerstäubt«, flüsterte Monsieur El Ayache Chib ins Ohr. Ja, mag sein. Er gähnte verstohlen. Keine Lust, mit einer begeisterten Pam im Bett zu landen, die nach Meerspinne stank, oder mit einer nörgelnden Sophie, die seine Wohnung kritisierte. Nur Lust, sich allein in die Falle zu hauen, den letzten Hit vom No Smoking Orchestra, den er eben gekauft hatte, anzuhören und dabei ein eisgekühltes Bud trinken.
    Er nutzte den Augenblick, als Greg, gefolgt von den begeisterten Mädchen, seinen riesigen Berg Jetons eintauschte, um sich aus dem Staub zu machen.
    Zurück zu seinem Floride, o Wunder: Er stand noch da. Er zog seinen Mini-CD-Player aus der Hemdtasche, schob ihn ins Armaturenbrett. Tom Waits, Lowside on the Road.
    Vor seinem Haus angekommen, stellte er den Motor ab und blieb ein Weilchen sitzen, um dem Meer und den Möwen zu lauschen. Er war müde. Er wünschte, dass etwas passieren würde.
    In seiner Wohnung strich er automatisch über den Kopf von Foxy, dem Fuchs, seinem allerersten Werk. Ein armer alter zahnloser Fuchs, dem büschelweise das Fell ausfiel.
    Er ging ins Zwischengeschoss, ließ sich auf den Futon fallen, der direkt auf den glasierten Terrakottafliesen lag. Das rote Lämpchen des Anrufbeantworters blinkte. Piep.
    »Guten Abend«, sagte eine tiefe Frauenstimme. »Bitte rufen Sie mich zurück unter der Nummer null sechs, null sieben, zwölf, einunddreißig,
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