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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben
Autoren: Stefan Holtkötter
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verschwitzte Frau mit Pferdeschwanz, die
offensichtlich zu viele Stunden auf der Sonnenbank verbracht hatte, warf ihm
einen bösen Blick zu und deutete auf ein Schild, das Handys im Sportstudio untersagte.
Leicht genervt winkte er ab und ging hinaus in den Eingangsbereich.
    Heike Holthausen, seine Stellvertreterin in der Mordkommission, rief
ihn von ihrem Privatanschluss an.
    »Hallo Heike! Wieso bist du nicht im Präsidium?«
    »Da war ich heute morgen bereits.« Ihre Stimme klang elend. »Sag mir
lieber, wieso du nicht im Präsidium bist.«
    »Ich komme eine Stunde später, das habe ich doch angekündigt.« Er
runzelte die Stirn. »Ist alles okay mit dir?«
    »Ich habe mir wohl den Magen verdorben. Nach dem Aufstehen dachte
ich noch, das geht vorüber. Aber im Büro wurde es dann richtig übel. Mein Mann
hat mich eine halbe Stunde später wieder abgeholt, und ich war froh, zu Hause
zu sein, ohne ihm den Wagen vollgekotzt zu haben.« Sie lachte erschöpft. »Jetzt
liege ich mit einem Eimer im Bett und bedauere mein Schicksal. Ich wollte dir
nur rasch persönlich Bescheid geben, dass ich ausfalle.«
    »Das ist nett von dir. Ich wünsche dir gute Besserung. Meld dich
einfach, wenn du wieder gesund bist.« Missmutig blickte er hinüber zum
Laufband. »Gibt es etwas Neues im Präsidium? Irgendwas vorgefallen?«
    »Nein, eigentlich nicht. Abgesehen von einer Vermisstenmeldung
vielleicht. Im Grunde keine große Sache, wäre da nicht unser entflohener
Sexualstraftäter.«
    »Wieso, wer wird denn vermisst?«
    »Eine Studentin aus Münster. Sie wollte gestern offenbar mit dem Bus
zu ihren Eltern fahren und ist dort nicht angekommen. Wie gesagt, soweit nichts
Besonderes – wenn man davon absieht, dass dieses Elternhaus in Birkenkotten
liegt, der Bauernschaft, in der auch Dorothea Probst wohnt.«
    »Du denkst, Martin Probst könnte etwas mit dem Verschwinden dieser
Frau zu tun haben?«
    »Wohl eher nicht. Trotzdem sollte man dem nachgehen. Man weiß ja
nie, wem gegenüber man sich später rechtfertigen muss.«
    »Ja, wahrscheinlich hast du recht. Aber jetzt werde erst einmal
wieder gesund.«
    Er beendete das Gespräch, holte sein Handtuch vom Laufband und
steuerte den Umkleideraum an. Wenn diese Geschichte mit Martin Probst zu tun
hatte, dachte er, wäre es wohl das Beste, wenn er sich unverzüglich darum
kümmerte.
    Auf dem Weg hinaus warf er einen Blick auf die Kollegen von der
Wache, die sich an den Hanteln schindeten. Niemand sah zu ihm herüber, als er
durch die Tür schlüpfte und wieder im Umkleideraum verschwand.
    Knapp dreißig Minuten später saß er in seinem Büro am
Telefon, lauschte der automatischen Tonbandmelodie am anderen Ende der Leitung
und wartete darauf, mit dem Therapeuten des Maßregelvollzugs in Brandenburg an
der Havel verbunden zu werden.
    Im Fall der vermissten Studentin hatte sich nichts Neues ergeben. Er
hatte Dorothea Probst anrufen wollen, in der vagen Hoffnung, dass sich ihr
Adoptivsohn inzwischen gemeldet hatte. Doch dann war es ihm klüger erschienen,
zuallererst mit Martins Therapeuten zu sprechen, einem gewissen Dr. Wüllen, wie
ihm die Anstaltsleitung gesagt hatte.
    »Hier Wüllen«, meldete sich eine tiefe und dunkle Stimme, die sofort
signalisierte, dass wenig Zeit für ein Gespräch zur Verfügung stand.
    »Mein Name ist Hambrock, ich bin Kriminalhauptkommissar bei der
Polizei in Münster.«
    »Ah ja.« Der Tonfall des Therapeuten änderte sich sofort. »Ich habe
schon gehört, dass Sie in die Fahndung nach Probst einbezogen wurden. Hier
herrscht noch helle Aufregung wegen der Sache. Es geht doch um unseren
entflohenen Häftling, nicht wahr?«
    »Ja, ganz richtig. Die Fahndung läuft auf Hochtouren. Was glauben
Sie? Wird Martin Probst hier auftauchen? Er wird schließlich wissen, dass
hinter jedem Baum ein Polizeibeamter steht, oder etwa nicht?«
    »Kann schon sein. Trotzdem halte ich es für sehr wahrscheinlich,
dass er bei Ihnen auftaucht. Er wird versuchen, zu seiner Adoptivmutter zu
gelangen.«
    »Aber das wäre Wahnsinn.«
    »Ich glaube nicht, dass er in diesem Punkt rational denkt. Es
existiert eine sehr starke Bindung zwischen ihm und seiner Mutter. Martin
Probst wird sich an die Hoffnung klammern, dass seine Mutter ihn aus dieser
verfahrenen Situation retten wird. Das habe ich schon häufiger bei ihm erlebt.
Er überschätzt ihre Möglichkeiten. Sie ist eine Art Heilige für ihn.«
    »Also gut«, sagte Hambrock. »Vielleicht
können Sie mir weiterhelfen. Ich habe mir das
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