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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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wird?
    Wilson weiß es auch nicht. Gut, dass ich wenigstens Wilson habe. Er gibt mir Kraft. Meine Familie habe ich übrigens nicht informiert. Denen werde ich später eine SMS schreiben. Auf gar keinen Fall sollen sie sich von mir das Fest der Liebe verderben lassen.
    Gut, dass ich immer einen Schlüssel zur Hütte zu Hause habe, so wie eigentlich jeder von uns. Und dass ich weiß, wo ich in Sölden, das liegt unter Hochsölden, einkaufen kann. Ich stapele Vorräte für eine Woche in den Einkaufswagen und packe vorsichtshalber auch noch eine Tube Murmeltiersalbe dazu. Irgendwie gibt mir das Sicherheit. Man weiß ja nie, was passiert. Auch gut, dass ich ein eigenes Auto habe. Einen Dienstwagen. Ich arbeite freiberuflich als Kosmetikerin, fahre also auch in Firmen, um da Kundinnen in der Mittagspause zu verschönern oder ihnen die Hornhaut von den Füßen zu kratzen.
    Ohne Auto würde ich jetzt ganz schön blöde dastehen.
    Im Radio läuft Ö3, und irre witzige Moderatoren veranstalten eine Art Weihnachts-Countdown, indem sie die Tage, Stunden und Minuten zählen, »bis es endlich so weit ist«. Hörer können anrufen und sich Musik wünschen. Die Nummer wird ständig durchgegeben. Weil es sowieso gerade nicht vorangeht, tippe ich die Nummer in mein Handy ein und labere irgendwas auf ein Band. Der automatische Ansager verspricht mir, dass man sich bei mir melden wird, wenn ich eine Rufnummer hinterlasse.
     
    Irgendwann habe ich die paar Kilometer nach Hochsölden auch noch geschafft, der Allradantrieb meines Wagens
packt sogar die verschneiten Wege, sodass ich das Auto direkt vor der Hütte abstellen kann. Aber die ist natürlich zugeschneit, und bevor ich nicht wenigstens den Eingangsbereich freigeschaufelt habe, komme ich nicht rein. Während ich die Schippe aus dem Schuppen hole, habe ich das Gefühl, dass Wilson mir gern helfen würde und es schlimm findet, dass er das nicht kann. Aber ich schaffe es auch so, und eine halbe Stunde später können wir reingehen. Also Wilson und ich.
    Trotz allem ist es schön, mal wieder hier zu sein, den Holzgeruch zu riechen, der mit ein wenig Tannenduft vermischt ist. Ich setze Wilson auf den Tisch in der Küche. Noch ist es hell, und ich brauche kein Licht. Aber den Ofen mache ich schon mal an. Holzscheite liegen fein säuberlich aufgestapelt daneben, und ich bin eine Meisterin im Ofenanmachen. Genau dasselbe gilt für den Herd. Ich werde mir nämlich auf den Schreck heute Abend ein Gulasch kochen. Mit Knödeln. Selbstgemacht natürlich. In der Weihnachtszeit kann man sich ja auch mal was gönnen. Weil ich es gemütlich haben möchte, zünde ich ein paar Kerzen an. Es wird schnell warm, ich lasse Wilson kurz allein und packe oben in meinem Lieblingszimmer, dem mit den Stockbetten, meine Sachen aus. Ich werde oben schlafen. Früher haben wir uns immer fast darum geprügelt, wer oben schlafen darf, heute kann ich frei wählen.
    Angst werde ich heute Nacht nicht haben, obwohl die Hütte mit ihren vier Schlafzimmern nicht gerade klein ist. Wilson wird schon auf mich aufpassen.
    »Weißt du, Wilson, man muss aus allem das Beste machen«, sage ich zu meinem Handmixer, dem ich auch ein Tellerchen hingestellt habe. »Nachher essen wir gut - probier
mal den Gurkensalat, der ist echt lecker -, und dann sieht die Welt schon ganz anders aus. Das hat mein Opa immer gesagt, und er hatte recht. Meinst du nicht?«
    Wilson zögert mit der Antwort. Vielleicht denkt er nach. Ich gebe ihm Zeit und genieße die mollige Wärme, die mich umgibt. So ein Kaminfeuer hat schon viele böse Seelen vertrieben, auch die des Arschlochs wird bald weg sein. Er hat nicht mal versucht, mich anzurufen.
    In diesem Moment klingelt mein Handy, und mich trifft fast der Schlag. Entweder ist es das Arschloch oder Ruth.
    »Hier ist der Lenny von der Freak-Show«, wird mir erklärt. »Du hast bei uns angerufen und willst dir ein Lied wünschen. Ist kein Problem, du musst mir nur vorher kurz was über dich erzählen, damit die beiden Moderatoren sich vorbereiten können.«
    »Ist gut«, sage ich. Ich hab ja nichts zu tun, und so erzähle ich Lenny eben das, was er wissen will. Was ich beruflich so mache, wo ich herkomme, warum ich jetzt in Österreich bin, und ich erzähle ihm auch alles über das Arschloch. Irgendwann dann stellt er mich zu den Moderatoren durch. Ich hab mir mittlerweile ein Glas Wein eingegossen - der Weinkeller unten in dem alten Kellergemäuer ist eine Wucht - und trinke einen Roten in kleinen
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