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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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Auftritt bitten?«
    Moritz küsste mich.
    Was für ein Gefühl!

STEFFI VON WOLFF
    Schneetreiben
    Ich glaube, es ist der Satz »Jetzt stell dich doch nicht so an«, der mich letztendlich ausrasten lässt. Ich meine: Hallo, da ist man elf Jahre mit jemandem zusammen, und dann diese Aussage. Als hätte er bloß aus Versehen ein Glas Wasser umgeschüttet.
    Ich könnte kotzen.
    Dabei hatte der Tag so schön begonnen. Letzte Nacht hat es geschneit, und draußen sieht die Welt aus wie ein Winterwunderland. Es ist der 20. Dezember, und eigentlich hatte ich vor, heute zu backen. Ich liebe es zu backen. Es gibt für mich nichts Schöneres, als in der Küche zu stehen und einem Hefeteig beim Aufgehen oder Zimtsternen im Backofen zuzuschauen. Dabei höre ich gern klassische Musik und trinke Sekt. Wundervoll.
    Aber Ingo, den ich ab sofort nur noch »das Arschloch« nennen werde, hat mir gerade die unglaubliche Mitteilung gemacht, dass er sich von mir trennen wird, beziehungsweise gerade getrennt hat. Und er hat mir das so gesagt, als
wäre es das Normalste von der Welt. »Ich geh einkaufen, soll ich Salz mitbringen?« hätte sich genauso angehört.
    Ich bin fassungslos.
    »Hast du eine andere?«
    »Vielleicht.«
    »Was heißt vielleicht?« Ich würde ihn so gern in ungelöschten Kalk stoßen.
    »Das heißt, dass ich’s nicht weiß«, sagt Ingo und malt mit dem Finger imaginäre Strichmännchen auf den Küchentisch.
    »Wer ist sie? Wie heißt sie?«, will ich wissen, und mein Herz rast. Im Radio dudelt das bekloppte »Drivin’ Home For Christmas« von Chris Rea. Eigentlich mag ich das Lied, jetzt hasse ich es.
    »Ist doch egal«, sagt Ingo. »Jedenfalls ziehe ich aus. Heute noch. Und ich bin echt froh, dass ich’s dir endlich gesagt habe. Das hat mich einfach so überkommen mit ihr, ich …«
    »Moment mal«, ich baue mich vor ihm auf, »es gibt also doch jemanden, und du hattest das schon länger vor?«
    »Hm«, macht er. »Zwischen uns hat es doch schon länger nicht mehr so richtig geklappt.« Er sieht mich fast mitleidig an. Aber auch erleichtert.
    »Aha. Aber vorgestern hatten wir Sex.« Was für ein lächerliches Argument. »Und an Weihnachten kommen doch alle zu uns, so wie immer. Du hast gesagt, du freust dich drauf.« Mir schießen die Tränen in die Augen, ich kann nichts dafür. Aber das Arschloch scheint es nicht zu bemerken. Er wirkt wie erlöst, so als wäre eine Riesenlast von seinen Schultern genommen worden. Tja - ich eben.
    Ich fühle mich, als hätte ich eine Überdosis Valium geschluckt.

    Das ist doch ein Witz, das ist doch nicht wahr.
    Aber da steht die gepackte Tasche des Arschlochs. Und jetzt heule ich wirklich total los. Die Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld, weil ich wegen des oben erwähnten Satzes impulsiv mit Backutensilien um mich geworfen habe. Überall fliegt Mehlstaub herum, es wird Tage dauern, das aus den Ritzen zu kriegen. Und der Handmixer ist wahrscheinlich kaputt, weil ich ihn auf den Boden geschmissen habe, zum Mehl und zum Backpulver und den gemahlenen Mandeln.
    Ist egal. Ich werde heute sowieso nicht mehr backen.
    »Tja«, sagt das Arschloch und zuckt mit den Schultern. »Wir können ja noch mal in Ruhe reden, wenn du dich beruhigt hast. Ich kann es dir dann vielleicht erklären. Aber jetzt muss ich los.« Ich stehe einfach nur da, lasse mir auf die Schulter klopfen, als wäre ich ein Handwerker, der von seinem Vorgesetzten gelobt wird, weil er gerade noch rechtzeitig festgestellt hat, dass das, was er rausreißen wollte, eine tragende Wand war. Und dann ist das Arschloch weg.
    Einfach so.
    Für immer?
    Ich setze mich auf den Boden neben den Handmixer. »Was meinst du?«, frage ich ihn, so wie damals Tom Hanks in Cast away diesen Volleyball, den er als einzige Bezugsperson hatte, während er vier Jahre lang auf einer Insel hockte und danach super Fische fangen konnte.
    »Kommt er zurück? War das vielleicht nur ein blöder Scherz und gleich geht die Tür auf und er ruft: ›Da hast du aber einen Schreck bekommen, was?‹ Sag doch mal.« Der Mixer antwortet mir nicht. Eine Dreiviertelstunde später sitze ich immer noch da. Und das Arschloch ist immer noch
nicht zurückgekommen. Der Mixer ist geduldig. Er hört mir zu, lässt mich reden und heulen und gibt keine Widerworte.
    Ich glaube, ich stehe unter Schock.
     
    »O mein Gott, Annette! Ich werde ihn erstechen, während du ihn festhältst!«, schreit meine Freundin Ruth aufgebracht. »Nein, wir machen es ganz anders. Wir fesseln
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