Schnappschuss
und blinzelte ab und zu, dann hielt sie still und schnitt dann wieder Zwiebeln. In letzter Zeit war sie oft den Tränen nah, aber diesmal wusste Scobie nicht, ob es die Zwiebeln oder der Ärger mit ihrem Job war.
»Was hast du denn heute gemacht?«
Beth hatte sich ganz in die Gemeindearbeit ihrer Kirche gestürzt. Scobie hoffte, dass ihr das helfen würde, um nicht in Depressionen zu verfallen.
»Ich bin bei Heather Cobb gewesen«, sagte sie und schnitt weiter.
»Wirklich? Ich war heute Vormittag bei ihr.«
Beth legte das Messer hin, drehte sich zu ihm um und setzte jenes verwirrte Lächeln auf, das sie oft gezeigt hatte, wenn sie mit Menschen aus den Sozialsiedlungen zu tun hatte. »Scobie, manchmal wundere ich mich schon, wie diese Leute denken. Heather weiß, dass wir verheiratet sind, aber sie hat mir kein Wort von deinem Besuch gesagt. Ich meine, normale Leute würden das doch unter solchen Umständen zumindest erwähnen.«
Bei diesem Thema konnten sich Beth und Scobie richtig ereifern: schlechte Manieren anderer Leute, Achtlosigkeit, blanke Gleichgültigkeit, Dummheit, fehlende Umgangsformen.
In diesem Augenblick kam Roslyn auf Zehenspitzen hereingeschlichen und legte ein Blatt neben Scobies Ellbogen. Bitte darf ich die Simpsons kucken , ja □ oder nein □? Eine Welle der Liebe überkam ihn, er gab ihr einen Kuss und kreuzte das Ja-Kästchen an. Roslyn schlich wieder davon.
Beth drehte sich um und bemerkte seinen verhuschten Gesichtsausdruck.
»Was ist?«
»Nichts.«
Es klingelte an der Haustür. Scobie sagte: »Ich gehe«, und entdeckte dort zwei Gestalten, die sich zum Schutz vor der Kälte einigelten.
»Er ist zum Footballtraining erschienen«, sagte John Tankard.
Scobie nickte. »Hallo Andy. Wie wars in Queensland?«
Andy Asche hielt Maulaffen feil. »Woher wussten Sie das?«
»Ich bin Polizist, schon vergessen?«
»Ich habs nicht ausgehalten, Mr. Sutton, ich musste einfach zurückkommen. Ich dachte, mir platzt der Schädel.«
»Wir haben keine Eile«, sagte Scobie. »Kommt rein und wärmt euch auf.«
60
Am Donnerstag bemerkte John Tankard: »Dieser Job ist doch Blödsinn.«
»Du hast schon mal etwas Ähnliches erwähnt.«
Pam konzentrierte sich auf die Straße und versuchte Tank zu ignorieren, der auf seinem Beifahrersitz herumrutschte, an der Sitzeinstellung herumfummelte und Platz für seine stämmigen Beine suchte.
»Verdammter japanischer Schrotthaufen.«
Eigentlich stimmte das gar nicht. Pam hatte die Fähigkeiten des kleinen Sportwagens zu schätzen gelernt. Nur John Tankards Anwesenheit verdarb ihr die Freude daran. Aber jetzt, wo kein Disziplinarverfahren mehr drohte, fühlte Pam sich gut und trainierte wieder für den Triathlon.
Auch Tank sollte sich lieber glücklich schätzen. Gegen ihn lag ebenfalls nichts mehr vor.
Coolart Road, Geschwindigkeitsbegrenzung auf neunzig, mehrere Kreisverkehre und tückische Biegungen. Pam fuhr exakt neunzig, der restliche Verkehr aber hundert und darüber, und das war ziemlich frustrierend. Ihr Job lautete, höfliche Fahrer aufzuspüren, und ein Blitzgerät hatten sie auch nicht dabei.
Pam umfuhr Somerville, überquerte die Eramosa Road und fuhr in Richtung der Kreuzung am anderen Ende der Coolart Road in Frankston. John Tankard seufzte schwer, und Pam sagte: »Spucks schon aus, Tank, was ist los?«
»Andy Asche ist gestern Abend aufgetaucht«, sagte Tank. »Armer Kerl.«
»Er hat eine Reiterin und ihr Pferd totgefahren und seine Freundin zum Sterben zurückgelassen. Armer, armer Kerl.«
Tank rührte sich und schaute mürrisch. »Er ist kein übler Bursche, nicht so wie manch andere, mit denen wir es in den letzten Jahren zu tun hatten. Guter Footballer. Da geht ein echtes Talent vor die Hunde.«
»Ach, wir sollten ihm also verzeihen, weil er ein guter Footballspieler ist«, bemerkte Pam trocken.
Pam war selbst sportverrückt, und sie hatte sich schwer damit getan, wenn das System es immer wieder zuließ, dass junge Footballer und Cricketspieler der Anklagen wegen Vergewaltigung oder sexueller Belästigung entgingen. Wenn Polizisten, Anwälte, Richter und steinreiche Clubpräsidenten angesichts der Sportheroen feuchte Augen bekamen, welche Chance hatte da noch eine Klägerin? Vor allem dann, wenn die Öffentlichkeit, Männer wie Frauen, nur mit der Schulter zuckten und meinten: »Sie hats doch nicht anders gewollt.« Und der Himmel möge einen schützen, wenn man in den Unfalltod eines Sportlers verwickelt war. In dem darauf
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