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Schmusekatze, jung, ledig, sucht

Schmusekatze, jung, ledig, sucht

Titel: Schmusekatze, jung, ledig, sucht
Autoren: Julia Sander
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blieb, jeden Tag den Boden zu wischen, ausgenommen natürlich jene Kleinigkeiten, die dem einen oder anderen Gast vom Teller fielen. Aber das war ja auch in ihrem eigenen Interesse, schließlich sollte der nächste Gast nicht in die Essensreste seines Vorgängers treten.
    Antonio, der Wachmann, der an diesem Abend Dienst hatte, stand am Haupteingang, um jeden der Geschäftsleute durchzulassen, der auf diesem Weg und nicht durch das Parkhaus das Center verließ, und um zu verhindern, dass sich irgendwelche zwielichtigen Gestalten nach Ladenschluss in das Gebäude verirrten.
    »Schönen Abend noch, Frau Hansen«, wünschte er, als sie zum Ausgang strebte. »Und kommen Sie gut nach Hause.«
    »Danke, Antonio.« Beim Näherkommen lächelte sie ihm zu, während er die Tür aufzog. »Allerdings ist der Abend schon weitestgehend gelaufen. Ich bin froh, wenn ich zu Hause bin.«
    »Nach dem langen Tag, den Sie hatten, kann ich das gut verstehen«, stimmte er ihr zu. »Für mich fängt das Vergnügen jetzt erst an. Schicht bis um zehn Uhr morgen früh.«
    Sie nickte verständnisvoll. »Ich glaube, da würde ich einschlafen. Oder vor Angst einen Herzinfarkt bekommen, wenn plötzlich irgendwo ein Geräusch zu hören ist.«
    »Ach, da gewöhnt man sich dran«, sagte er vergnügt und winkte ab. »Heute kann man sich wenigstens mit Fernsehen und Internet die Zeit vertreiben. Als mein Großvater nach Deutschland kam und zuerst auch als Pförtner gearbeitet hat, da muss es abends wohl noch so was wie Programmschluss gegeben haben, hat er mir mal erzählt. Da war dann ab elf Uhr oder so gar nichts zu sehen.«
    »Tja, und Videorekorder gab’s damals auch noch nicht«, ergänzte sie. »Da musste man sich mit Radiohören die Zeit vertreiben. Natürlich nur mit dem, was ein kleines Kofferradio an Sendern empfangen konnte.«
    Antonio schüttelte den Kopf. »Irgendwie kaum vorstellbar, dass es so was alles nicht gegeben haben soll. Was haben die Leute damals bloß gemacht?«
    »Das, was wir gerade machen«, sagte Chrissy. »Reden.« Sie sah auf die Uhr. »So, jetzt muss ich aber gehen. Meine Freundin will mich abholen, ich will sie nicht noch länger warten lassen.«
    »Leider muss ich arbeiten, sonst hätte ich Sie nach Hause begleitet«, meinte der Wachmann mit einem Augenzwinkern.
    »Den Spruch konnten Sie sich jetzt wohl nicht verkneifen, wie?«, gab sie lachend zurück.
    Antonio hob grinsend die Schultern. »Es wäre nicht das erste Mal, dass ich als Antwort zu hören bekomme : ›Sie können mich ja gern an einem anderen Abend nach Hause begleiten.‹« Er legte den Kopf schräg. »Sie müssen nur den Satz nachsprechen, und schon sind wir im Geschäft.«
    »Ich hätte ja fast gesagt : ›Träumen Sie weiter.‹ Aber das ist bei Ihrem Job wohl der falsche fromme Wunsch. Auf jeden Fall wünsche ich Ihnen eine ruhige Nacht«, rief sie ihm zu, als sie bereits ein paar Schritte von der Tür entfernt war. Antonio reagierte mit Nicken und einem letzten Lächeln, dann schloss er ab und wartete auf den Nächsten, der das Center auf diesem Weg verlassen wollte.
    Draußen angekommen, wehte Chrissy ein kalter Wind entgegen, und als sie ein wenig zu frösteln begann, wurde ihr klar, dass sie am Morgen eindeutig eine zu dünne Jacke angezogen hatte. Allerdings war da ja noch nicht damit zu rechnen gewesen, dass man ihren Wagen abschleppen würde. Sie konnte sogar von Glück reden, dass sie Valerie gebeten hatte, die andere Jeans aus ihrem Wagen zu holen, sonst würde sie jetzt erst mal eine Weile durchs Parkhaus im Center irren und ihr Auto suchen, und irgendwann würde sie sich dann daran erinnern, dass sie ja vor dem Haupteingang geparkt hatte.
    Dann würden sie die gleichen verwaisten Parkplätze sehen, an denen sie jetzt vorbeiging, und glauben, jemand habe ihr Auto gestohlen – um dann den Rest der Nacht damit zu verbringen, den Wagen von irgendeinem Sammelplatz am Stadtrand abzuholen.
    Sie überquerte die Straße und dann die Gleise der Haltestelle vor dem Bahnhofsvorplatz, der um diese Zeit alles andere als verwaist war. Viele junge Leute strömten aus dem Bahnhof und steuerten die verschiedenen Bahnsteige der Straßenbahn an, um in die Altstadt oder zu irgendwelchen Clubs zu fahren, wo das Nachtleben jetzt erst so richtig begann.
    Etwas abseits, wo das Licht der wenigen Straßenlampen auf dem Platz nicht mehr hinkam, standen im Dunkeln kleine Gruppen zusammen, die allein schon durch die Wahl ihres Standorts zwielichtig wirkten, weshalb
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