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Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Titel: Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
Autoren: Maybrit Illner , Hajo Schumacher
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Talk-Queens fragt. Und vielleicht ist mit dieser kleinen Pause in der Aufzählung schon viel über Lust und Last der Moderatorin Maischberger gesagt. Es macht nicht sofort »klick«, wenn die Frage gestellt wird. Dabei war sie die Erste des Quartetts, die sich durch die Sender talkte. Als die »junge Gans« (Böhme über Maischberger) 1991 von dem »alten Esel« (Böhme über Böhme) bei Talk im Turm wegmoderiert wurde, waren die anderen Frauen entweder noch hinter den öffentlich-rechtlichen Kulissen beschäftigt oder mit der Präsentation der Tagesnachrichten befasst. Vielleicht ist sie zu früh gesprungen. Vielleicht ist sie ein Opfer der medialen Innovationskette, nach der neue Formate - viel zu häufig von der Insel oder aus Übersee abgekupfert - zumeist von den Privaten ausprobiert werden. Als ARD und ZDF das Infotainment entdeckten, war ihr Gesicht für die Quotenerwartungen der Senderchefs wohl nicht bekannt genug, zudem fehlte ihr der Stallgeruch.
     
    Das verwundert - und auch wieder nicht. Denn ihre Laufbahn begann Sandra Maischberger nach der Münchner Journalistenschule erst bei Tele 5, dann beim Bayerischen Rundfunk. Die ersten Gehversuche bei Tele 5 mit Mensch Mädchen und Sexy Night dürften wohl nur Publizistik-Studierenden
bekannt sein, die für ihre Semesterarbeit die Irrungen und Wirrungen des deutschen Privatfernsehens nachzuvollziehen versuchen. Live aus dem Schlachthof vom Bayerischen Rundfunk hingegen blieb schon eher im Gedächtnis. Doch das stabilste im Maischbergerschen Moderatorinnenleben blieb lange Zeit der stete Senderwechsel. Und das ist eben kein Pfund, mit dem es sich in den Hierarchien von ARD und ZDF wuchern ließe. Nicht nur deshalb war Maischbergers Name auch nicht lange im Spiel, als es um die Christiansen-Nachfolge ging.
    Vielleicht aber kann Sandra Maischberger ja auch ganz gut damit leben, dass sie nicht für das Talkshow-Flaggschiff angeheuert wurde. Fernsehpreise hat sie auch so genug bekommen. Und das durchaus zu Recht, auch wenn es nach 2004 weniger geworden sind. Sie ist die »unqueenigste« der Talkshow-Moderatorinnen, die auf der Bühne der öffentlich-rechtlichen Sender stehen. Das macht sie sympathisch und zugleich gefährlich für ihre Gäste. Denn hinter dem Unprätentiösen lauert die beharrliche Nachfragerin, wenn das Format ihr die Zeit dazu lässt und sie sie sich nimmt. Am besten zu erleben und zu beobachten war das bei n-tv.
     
    Die Besenkammer in der Berliner Taubenstraße, die sich Studio nannte, hatte schon ob ihrer räumlichen Enge eine besondere Atmosphäre. Der Tisch zwischen Sandra Maischberger und ihren Gästen war einen halben Meter breit. Genug, um die notwendige Distanz zwischen Fragerin und Befragten zu schaffen, aber viel zu wenig, um ihr ausweichen zu können. Die Nähe der Kameras tat ein Übriges. Entscheidend aber waren Sandra Maischbergers Augen. Wenn die einen während der dritten Nachfrage fixierten, musste man schon sehr hartgesotten sein, um bei seiner
Linie zu bleiben. Man musste auf der Hut sein, gerade weil sie weniger bloßstellen, als den Dingen vielmehr auf den Grund gehen wollte. Allgemeinplätze oder rhetorische Ausweichmanöver halfen wenig. In der Viertelstunde Zwiegespräch wurde die Sitzgelegenheit bei ihr mitunter mehr zum heißen Stuhl als früher bei Olaf Kracht bei RTL - trotz Krawall und den damals zum Teil wüsten Beschimpfungen der Gäste untereinander.
    Nicht auszudenken, wie eine solche oder ähnliche Sendung heute im Ersten die Berliner Politik inspirieren würde. In der gegenwärtig herrschenden Mediokratie wäre sie ein spannendes Format, um dem Lauf der Dinge eine neue Umdrehung, einen neuen Drive zu geben. Noch rechtzeitig vor den Abendnachrichten brächte sie vielleicht nicht die Quote all der Telenovelas, Soaps und Endlos-Serien, aber doch einen Peak an politischer Information, an Auseinandersetzung und Hintergrund. Leider aber werden auch die späten Fernsehnachmittage bei den Öffentlich-Rechtlichen vornehmlich als Werbeumfeld gestaltet. So ist wohl kein Platz für eine politische Interviewsendung, selbst wenn Sandra Maischberger mit über tausend Ausgaben nachgewiesen hat, dass und wie so etwas funktioniert.
     
    Ich bekenne: Zu Maischberger bei n-tv bin ich trotz oder wegen der Herausforderung ganz gern gegangen. Denn bei aller Gesprächsintensität ging es nie unter die Gürtellinie, blieb die Persönlichkeit des Interviewten unangetastet, jedenfalls vonseiten der Moderatorin. Und die Redaktion erlag
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