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Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Titel: Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
Autoren: Maybrit Illner , Hajo Schumacher
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Deshalb gibt es auch heute noch in Sitzungen, von denen
eigentlich kein Wort nach draußen dringen soll, den ironischen Hinweis, man möge bitte das Fenster schließen, Karl Doemens hänge sicher an der Regenrinne. Doch davon später mehr. Neben sauber recherchierten Artikeln und einer gewissen Sturheit im Verfolgen einmal als wichtig erkannter Themen fiel er durch seine bildhafte Sprache auf. Er war Nachfolger des langjährigen Landtagskorrespondenten Richard Meng, von dem der damalige Ministerpräsident Hans Eichel einmal sagte, zu dessen Kommentaren äußere er sich nicht, da Meng in der SPD Kombattantenstatus hätte. Karl Doemens achtete von Anfang an darauf, dass beim Lesen seiner Berichte sofort klar war, dass sich hier jemand die Aufgabe gestellt hatte, kritisch zu berichten. Dies betraf alle, die damalige rot-grüne Regierung aber natürlich im Besonderen.
     
    Allerdings scheute er auch nicht davor zurück, sich mit seinem Brötchengeber anzulegen. Die Frankfurter Rundschau versuchte in den politisch heißen Januartagen des hessischen Wahlkampfs 1999 die Unterschriftenkampagne von Roland Kochs CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft mit einer eigenen Unterschriftenaktion zu kontern. Doemens verstand zwar die Empörung, wehrte sich aber intern heftig gegen die deutliche Parteinahme und verwies auf die journalistisch gebotene Neutralität. In einem großen Artikel, prominent platziert auf der damaligen Seite 3, verdeutlichte er entgegen der allgemeinen Haltung der Zeitung, auf welch große Resonanz die CDU-Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft in der Bevölkerung stieß. Aus heutiger Sicht lag er völlig richtig. Erst recht, wenn man bedenkt, dass Roland Koch sich nach der sensationell gewonnenen Landtagswahl 1999 explizit bei der FR für die Gegenkampagne bedankte. Er, Koch,
hätte sich so viel Öffentlichkeitsarbeit ja nie leisten können. Ich habe Karl allerdings nie gefragt, wie er sich denn verhalten hätte, wenn er schon 1999 gewusst hätte, wie die hessische CDU ihre Kampagne finanzierte.
     
    Bei all seinen journalistischen Stärken ist er nicht davor gefeit, Sympathie oder Antipathie für Politikerinnen oder Politiker in seine Artikel einfließen zu lassen. Dies durften je nach Ausrichtung Andrea Fischer, Ulla Schmidt, Kurt Beck und in Hessen Margarethe Nimsch, Priska Hinz, Alexander Müller oder ich selbst erfahren. Das wurde bei seinem ersten großen Fall, der sogenannten »Cousinenwirtschaftsaffäre« um Margarethe Nimsch, neben dem legitimen journalistischen Interesse an der Enthüllung, von interessierter Seite auch ausgenutzt. Es ist bekannt, dass Politikerinnen oder Politiker in aller Regel nicht zurücktreten, weil Journalisten oder der politische Gegner ihnen das Leben schwer machen, sondern weil sie die Unterstützung der eigenen Partei verlieren. Man stürzt nie über die anderen, sondern immer nur über die eigenen. Es gehören aber auch Journalisten dazu, die irgendwann das Jagdfieber packt, die die Berichterstattung zu ihrer eigenen Sache machen, denen am Anfang Informationen zugespielt werden, die dann aber das von anderen angeschobene Rad selbst weiterdrehen wollen und dabei irgendwann natürlich auch nicht mehr »neutral« sind. Das war in dieser Affäre auch nicht anders.
    Der politische Gegner, die hessische CDU, konnte der Dynamik der Affäre und den Artikeln der FR nur hinterherhinken. Karl Doemens war während dieser Zeit über Interna so gut informiert und allzeit präsent, dass er es gar nicht nötig hatte zu fensterln. Er erhielt seine Informationen auf anderem Weg. Trotzdem hat sich höchstwahrscheinlich
auch zehn Jahre später die Empörung unseres damaligen Landesvorsitzenden Tom Koenigs über eine nächtliche Begebenheit immer noch nicht gelegt. Dem trat nach einer bewusst am Wochenende und nicht etwa in Wiesbaden, sondern im Frankfurter Römer anberaumten Krisensitzung beim Aufschließen seines Fahrrads aus dem menschenleeren Dunkel der Nacht Karl Doemens mit der Frage entgegen, was die Sitzung denn ergeben hätte. Zur Ehrenrettung von Karl Doemens muss man allerdings hinzufügen, dass er Ort und Zeit der Sitzung ja von einem Teilnehmer erfahren haben muss, weil er sicherlich nicht auf Verdacht nachts durch die Innenhöfe des Römers spazierte.
    Bei der »Cousinenwirtschaftsaffäre« ging es um einen Auftrag des Sozialministeriums, der ohne Ausschreibung an eine Parteifreundin der Ministerin vergeben werden sollte. Das ursprünglich vorgesehene Projekt wurde
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