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Schmerzverliebt

Schmerzverliebt

Titel: Schmerzverliebt
Autoren: Kristina Dunker
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war, um die Deko anzubringen.
    »Anne«, ruft mein Vater ihr hinterher, »warte! Wir wollten das doch in aller Ruhe nach der Party besprechen!«
    »Mag sein, aber jetzt sieht die Sache anders aus!« Meine Mutter wimmelt meinen Vater resolut ab, steuert auf mich zu. »Ich weiß inzwischen, was passiert ist, Püppi!« Sie drückt mich heftig an sich und bricht unvermittelt in Schluchzen aus. »Mein armes Kind! Ich hab Marlies Lindmann beim Bäcker getroffen. Sie hat mir alles erzählt. Dass diese Jungen aus deiner Klasse dich überfallen haben. Dass sie dich mit Messern verletzt, dich begrabscht und dir die Haare abgeschnitten haben! Mein Häschen, warum hast du uns denn nichts davon gesagt?«
    »Was?«, ruft mein Vater entgeistert. »Püppi, ist das wahr? Und ich dachte schon …«
    Ich komme nicht dazu, zu antworten, denn alle reden durcheinander.
    »Wer war das?«, ruft Benne immer wieder. »Kenn ich die Typen?«
    »Benedikt! Halt dich da raus!«, schreit mein Vater.
    »Das kann ich nicht! Ich muss doch meine Schwester beschützen! Wenn sich einer an ihr vergreift, dann …!«
    »Vielleicht war das der Perverse aus der Umkleidekabine!«, meldet sich Conny und schlägt die Hand vor den Mund. »Es gibt ihn also doch! Er hat dich mit seinen Freunden überfallen!«
    »Um Himmels willen, Püppi, sag, dass das nicht wahr ist! Du brauchst dich doch vor uns nicht zu schämen!«
    Ich halte mir mit den Händen die Ohren zu und stoße gleichzeitig einen schrillen Schrei aus.
    Sofort ist es mucksmäuschenstill im Raum.
    »Püppi, meine arme Püppi«, wiederholt meine Mutter verzweifelt, die anderen blicken stumm auf den Boden, als schämten sie sich für den Überfall, den sie gerade auf mich verübt haben.
    »Bitte lasst mich in Ruhe«, sage ich mühsam beherrscht. »Es gibt keine Jungs aus meiner Klasse, die mich überfallen oder bedroht haben, und es schleicht auch kein Spanner in der Schule herum. Das ist alles Schwachsinn und leeres Gerede überdrehter Leute. Ein Missverständnis. Wirklich! Ich komme gut zurecht.«
    »Ach Kind, das würde ich dir ja gerne glauben!« Meine Mutter streichelt mir mit der Hand über die Wange. »Aber warum erzählt Marlies Lindmann dann …?«
    »Weiß ich nicht, Mama«, unterbreche ich sie. »Wahrscheinlich bildet sie sich genauso viel dummes Zeug ein wie Conny und ihre Schwester. Bitte lass mich damit in Ruhe, ich hab immer noch tierische Kopfschmerzen und ich möchte bei der Party nicht in den Seilen hängen.«
    Das sind Zauberworte, die wirken.
    Meine Mutter sieht auf ihre Uhr. »Mein Gott, schon so spät, gleich stehen die ersten Gäste vor der Tür! Und ich hab den Kartoffelsalat noch nicht fertig!«
    »Der kann jetzt erst mal warten, Anne«, sagt mein Vater beschwichtigend, legt einen Arm um meine Mutter, einen um mich. »Unsere Tochter hat jetzt Vorrang. Bist du wirklich okay?«
    »Ja, ja.«
    »Willst du uns was erzählen? Oder willst du lieber bis nach der Party warten, damit wir in Ruhe sprechen können?«
    Ich will gar nicht reden. Worüber auch?
    »Ja«, sage ich.
    »Du kannst uns alles sagen. Das weißt du doch, oder?«, meint meine Mutter. »Wir haben dich doch lieb.«
    Ich nicke. »Ja, ich euch auch.«
    »Na, siehst du.«
    Ich möchte mich aus der Umarmung meiner Eltern lösen, aber mein Vater hält mich fest. »Was ich dir noch sagen wollte, gerade hat jemand vom Radio angerufen.«
    »Was? Was haben sie denn gesagt? Los, Papa, sag schon! Wollen sie mich? Komme ich in die nächste Runde?«
    Mein Vater schweigt einen Moment, seufzt. »Sie wollten, dass du heute Abend in ihr Studio kommst, um mit irgendwelchen anderen Mädchen einen Tanz einzustudieren.«
    »Heißt das, ich komme in die zweite Runde? Sie haben mich genommen?«, rufe ich außer mir.
    »Ja, ich glaube schon. Aber sei mir nicht böse, ich habe mir das Ganze noch mal überlegt: Ich will nicht, dass du daran teilnimmst. Erst mal darfst du mit der verletzten Hand zwei Wochen sowieso keinen Sport machen, du hast ja gehört, was der Arzt gesagt hat. Außerdem trainieren diese Leute die ganzen Ferien über, nur um nachher noch mal auszuwählen, und noch mal und noch mal, und selbst wenn du alles schaffen solltest, darfst du zum Schluss in einer albernen Talk-Show mit dem Hintern wackeln und dich von prolligem Publikum dabei anfeuern lassen. Das kann wohl nicht ernsthaft dein Ziel sein! Du willst doch nicht jeden Tag wie ein Aufziehmännchen im Gleichschritt hopsen! Du hast dir doch vorgenommen, deine Schuldefizite
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