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Schmerzverliebt

Schmerzverliebt

Titel: Schmerzverliebt
Autoren: Kristina Dunker
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aufzuholen! Sieh bitte ein, dass wir das nicht erlauben können. Ich soll einen Vertrag unterschreiben, dass sie Werbefotos von meiner Tochter machen können, dass sie sie in jeder Pose und jedem durchsichtigen Fummel vermarkten können, ja, glaubst du, ich unterschreib so was? Ich lasse doch nicht zu, dass mein Kind ausgebeutet wird!«
    »Papa, das ist meine Chance!«, heule ich und habe Lust, ihm das Gesicht zu zerkratzen.
    »Chance?«, ruft mein Vater. »Um noch mehr Probleme zu haben? Um noch mehr Perversen zu begegnen? Um hirnloses Trallalla zu machen? Ich habe Verantwortung für dich und die erfülle ich auch!«
    »Thomas, es hat geschellt! Deine Schwester Inge aus Hamburg ist schon da! Was machen wir denn jetzt?«
    »Ach! Sie soll einen Moment warten!«
    »Du bist so gemein!«, rufe ich und will mich an ihm vorbei in den Flur drücken, aber meine Mutter hält mich auf.
    »Papa hat Recht, Püppi, du solltest ihm dankbar sein!«
    »Pah! Undank ist der Welten Lohn!«, sagt mein Vater und stapft zur Tür, an der es erneut klingelt.
    »Und nun geh rauf, zieh dich an, lach mal, wasch dir das Gesicht!« Meine Mutter setzt ein klägliches Lächeln auf. »Bitte, nimm dich ein bisschen zusammen, mach es uns nicht so schwer.«
    »Ihr macht’s mir doch auch schwer!«, sage ich und stolpere die Treppenstufen hoch. Ich bin noch nicht in der ersten Etage angelangt, da spüre ich schon ihren Blick im Rücken, spüre Vorwurf, Sorge und Enttäuschung, und es braucht keine zehn Sekunden, da hat sich der törichte Wunsch, das Gesicht meines Vaters zu zerkratzen, gewandelt in die gute, alte Wut gegen mich selbst.
    Doch ich habe keine Gelegenheit, sie loszuwerden.
    »Warte, ich komme mit!« Conny folgt mir nach oben, und ehe ich reagieren kann, hat sie sich zu mir in das Badezimmer gedrängt.
    So hocken wir gemeinsam auf dem Badewannenrand. Ich weine heftig, schluchze und drücke die Handballen fest auf die geschwollenen Augen und die Ellenbogen hart in die Magengrube, ich biege und krümme mich, ich heule mit der ganzen verzweifelten Wut, die ich besitze.
    »Hey, jetzt beruhig dich doch mal!« Conny kann gar nicht so viel Toilettenpapier abreißen, wie ich zum Naseputzen brauche. »Ich kann ja verstehen, dass du traurig bist«, murmelt sie, »aber ich hatte dir gleich gesagt, sie erlauben es nicht. Meine Eltern würden mich auch nicht lassen. Sie sagen, wenn man in dieser Branche was werden will, muss man bereit sein, mit jedem Regisseur und Produzenten ins Bett zu gehen. So sind Eltern nun mal. Sei froh, dass deine wenigstens etwas lockerer sind!«
    »Locker!«, wiederhole ich ironisch und beuge mich dabei wie unter Krämpfen.
    »Aber ja, sie erlauben dir viel mehr Sachen als meine. Was glaubst du, was meine Eltern für einen Aufstand machen würden, wenn ich von einem Perversen überfallen worden wäre. Die würden mir tausend Fragen stellen und mich tagelang nicht mehr nach draußen lassen.«
    »Conny«, sage ich beschwörend und unter Tränen, »bitte, lass endlich den Blödsinn! Ich bin nicht überfallen worden!«
    »Nein?«
    »Nein!«
    Sie nickt, reißt noch ein paar Blättchen vom rosafarbenen Klopapier ab und knibbelt an ihrem Nagellack herum.
    »War’s denn jemand, den du kanntest?«
    »Was? Ich muss mich gleich übergeben, bitte, Conny, nerv mich nicht damit!«
    »Entschuldigung. Ich frag ja nur.« Sie steht auf, stellt sich vor den Spiegel und begutachtet ihre Frisur. »Wie fändest du es eigentlich, wenn ich mir meine Haare auch mal etwas kürzer schneiden lassen würde?«

26 Sebastian
    Nachdem seine größte Wut verraucht ist, beginnt er, sich Sorgen zu machen. Vielleicht hätte er sie nicht vor diese Entscheidung stellen dürfen. Sie kennen sich erst eine Woche. Pia kann sich nicht gegen ihre Familie stellen, er selbst hätte das auch nicht fertig gebracht. Der Tag, auf den er sich eigentlich gefreut hatte – Andreas und Sibylle, die beiden Freunde seines Vaters, sind gekommen, um mit ihnen den Verlauf der gemeinsamen Tour zu besprechen –, verläuft zäh und wenig erfreulich. Die Freunde merken schnell, dass Sebastian nicht bei der Sache ist, und als der Vater ihnen dummerweise verkündet, sein Sohn habe den ersten Liebeskummer seines Lebens, wollen sie ihn mit witzigen Anekdoten aus ihrem Leben aufheitern, doch vergeblich.
    »Das scheint ja wirklich schlimm zu sein«, sagt Sybille. »Kannst du sie nicht noch mal anrufen? Vielleicht vertragt ihr euch ja wieder.«
    »Nein, ich glaube nicht, dass das noch Sinn
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