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Schmeckt's noch?

Schmeckt's noch?

Titel: Schmeckt's noch?
Autoren: Werner Lampert
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fand sich ein Experte, der das Zeitalter des Embryonentransfers in der Rinderzucht ansagte. Der Embryonentransfer ist neben der Reagenzglasbefruchtung und der Herstellung genetisch identer Individuen („Klonen“) eine weitere Möglichkeit der Reproduktionstechnik. Unter Reproduktionstechnik versteht man die gezielte Manipulation der Fortpflanzung.
    Der Embryonentransfer ist eine Methode, um die Zahl der Nachkommen von Hochleistungskühen zu erhöhen. Normalerweise bildet ein Rind eine einzige reife, befruchtungsfähige Eizelle aus. Mittels eines Hormons wird die gleichzeitige Reifung mehrerer Eier hervorgerufen, die in der Kuh künstlich besamt werden. Anschließend werden die befruchteten Eier aus der Gebärmutter herausgespült und anderen Kühen eingepflanzt, die die Kälber jener Hochleistungskuh gebären. Es ist auch möglich, einen herausgespülten Embryo in zwei oder vier Teile aufzuteilen und anderen Kühen einzusetzen. Damit erhält man zwei bzw. vier idente Nachkommen, sprich Klone von Hochleistungskühen.

    Der besagte Experte fand seine Opfer, die sich für diesen Wahn maßlos verschuldeten. Als die Kälber jedoch nicht die gewünschten Eigenschaften zeigten, die Methode die Erwartungen der Bauern also nicht erfüllte, verließ er fluchtartig den Ort seiner Machenschaften

    Selbstverständlich gibt es auch hier Bauern, die mit der traditionellen Bergbauern-Landwirtschaft brechen. Sie sind „Hochleistungsbauern“ geworden. Normalerweise kommt die Futtergrundlage für die Tiere vom eigenen Hof, Futter wird nur minimal zugekauft. Die von mir so bezeichneten „Hochleistungsbauern“ kaufen an die 50 Prozent des Futters von den Futtermittelwerken zu. In der Hauptsache wird den Tieren Silage, Kraftfutter und Trester gefüttert, um die Milchleistung zu steigern. Die Kühe stellen nur mehr einen Baustein im wirtschaftlichen Ablauf dar. Denn für diese Bauern zählen — wie in der Industrie — nur mehr Stückzahlen und Kilogramm-Milchmengen. Sie merken nicht, dass sie selbst zu Industriearbeitern werden, zu Hilfsarbeitern der Futtermittelwerke.

    In einem Kreislauf von Ausbeutung sind auch sie Opfer ihrer Selbstausbeutung. Die Spirale zielt unausweichlich nach unten. Denn in dem Maß, in dem sie die Milchleistung ihrer Kühe nach oben pushen, sind die Aufwände für Futtermittel und Tierarzt-Behandlungen gestiegen, und der Milchpreis ist gefallen. Eine Allerweltsmilch braucht niemand, und so hat sie auch nur einen Allerweltspreis . Somit ist die Arbeit der Bauern und das, was sie produzieren, zu jeder Zeit verzichtbar. Ersatz für ihre Art, eine Landwirtschaft zu führen, gibt es europaweit genug.

    Eine Sackgasse mit lauter Verlierern. Das Besondere ihres Standortes, das Unverwechselbare, haben sie aus ihren Augen verloren. Wie gesagt, der Verlust des Wissens, was Qualität ist, was die Qualität von Lebensmitteln darstellt, führt in die Orientierungslosigkeit. Wenn es um qualitätsvolle Lebensmittel geht, sind die Produkte einer recht geführten Landwirtschaft der alpinen Region unersetzbar.

    Unter recht geführt meine ich z. B. eine nachhaltige Landwirtschaft, die die Biodiversität pflegt, in der die Futtermittel fast ausschließlich vom eigenen Hof, von der eigenen Heuwirtschaft kommen, in der keine Düngemittel von der Agrochemie zugekauft und keine Pestizide verwendet werden. Ich verstehe darunter eine Landwirtschaft, die die autochthonen Tierrassen pflegt, die Würde der Tiere beachtet und sie jahreszeitlich bedingt in Gottes freier Natur hält.

    Richtig produzierte Lebensmittel aus den alpinen Regionen stellen für die Bevölkerung ganz Europas einen noch vielfach ungehobenen Schatz dar, ein unverzichtbares Gut. An der Qualität dieser Lebensmittel könnte das degenerierte Europa genesen.

    Deshalb achtet auf die Bauern in den Bergen!

    Inzwischen sind wir über einen steilen Hang zur Hauptalm gekommen. In der Hütte hängt raumbestimmend ein Kupferkessel über einem Holzfeuer. Der Jungbauer ist beim Käsen. Hinter dem Kessel auf einem Regal sind schon etliche Räder Almkäse gefertigt und gestapelt, die regelmäßig mit einer Salzlake gebürstet werden. Die Käsepflege dauert bis zum Verzehr. Ein lebendiges Lebensmittel erfordert ständig Umsicht und Achtsamkeit.

    Draußen, unweit der Almhütte, steht eine stattliche Pinzgauer Kuhherde . Kühe, die sich trittsicher am steilen Hang bewegen und grasen. Wann auch immer ich ein Pinzgauer Rind im Gebirge sehe, bleibt mir das Herz stehen und die
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