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Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens

Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens

Titel: Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens
Autoren: Liz Mohn
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vorantrieben. Das Projekt »Uveitis« war das erste Medizinprojekt der Bertelsmann Stiftung. 38
    Diese ersten Erfolge, die sich aus einer persönlichen Beobachtung und aus meinem intuitiven Empfinden heraus entwickelt hatten, bestätigten mich darin, den Weg der unkonventionellen Zusammenführung von Experten weiterzuverfolgen. Das Uveitis-Projekt hatte mich gelehrt, internationalen Rat zu suchen, wann immer er nötig war, und im Dienst der Sache auch ungewöhnliche Kooperationen einzugehen.
    Parallel zu dem Uveitis-Projekt beschäftigte ich mich seit Längerem auch mit dem Gebiet der neurologischen Erkrankungen. 39 Wieder einmal stand ein persönliches Erlebnis am Anfang. Einer meiner Söhne zeigte im Alter von vierzehn Jahren immer stärker auftretende Bewegungsstörungen, die schließlich zu einer Lähmung der linken Körperhälfte führten. Wir waren starr vor Angst. Würde unser Sohn ein Pflegefall werden? Nach sechs Wochen schließlich konnte er wieder laufen, doch eine Erklärung für dieses Vorkommnis konnten mir auch die Neurologen nicht geben.

    In dieser Zeit wusste ich wenig über das Krankheitsbild des Schlaganfalls, in der Öffentlichkeit spielte das Thema so gut wie keine Rolle. Im Fall unseres Sohnes hat sich diese Diagnose zum Glück nicht bewahrheitet. Die Ärzte vermuteten eine Borrelioseerkrankung aufgrund eines Zeckenbisses. Doch unsere Hilflosigkeit in der damaligen Situation hatte mich sensibilisiert, als mich Neurologen, die ich bei der Erkrankung unseres Sohnes kennengelernt hatte, um Unterstützung für ein Projekt zur Früherkennung des Schlaganfalls baten.
    Im August 1983 sprach ich mit dem Gütersloher Neurologen und Psychiater Prof. Dr. Gerhard Sitzer und unserem damaligen Geschäftsführer Dr. Hans-Dieter Weger über ein mögliches Engagement der Bertelsmann Stiftung auf dem Gebiet der Neurologie. 40 Im Jahr 1984 entschlossen wir uns in einem ersten Projekt der Universitätsklinik Düsseldorf, die Studien zur Erfassung der Strömungsverhältnisse in den zuführenden Hirnarterien zu fördern, um auf diesem Wege Erkenntnisse zur Beurteilung arteriosklerotischer Gefäßerkrankungen zu erlangen. Dieses Projekt, genannt »Neurologie I«, wurde in den Jahren 1984 bis 1987 durchgeführt. Ziel war es, auf der Grundlage sorgfältiger Ergebnisse das individuelle Schlaganfallrisiko zu ermitteln. In einem weiteren neurologischen Projekt, genannt »Neurologie II«, förderte die Bertelsmann Stiftung von 1985 bis 1988 ein Vorhaben der Klinik für Neurologie an der Universität Münster, das die Anzeichen für einen drohenden Hirninfarkt ermitteln sollte. Die Förderung umfasste neben der finanziellen Unterstützung auch die Anschaffung notwendiger Apparaturen. In einem dritten Stiftungsprojekt namens »Neurologie III« wiesen die Universitätskliniken Mannheim und Münster anhand von Blutproben Ursachen
für eine mögliche Tendenz zur Thrombose nach, die der Auslöser für einen Schlaganfall sein könnte.
    Was sich im Rückblick so nüchtern vermitteln lässt, habe ich über die Jahre hinweg mit wachsendem persönlichem Engagement begleitet. In den Anfangsjahren suchte ich unermüdlich das Gespräch mit einer ganzen Reihe von führenden Medizinern. Ich wollte alles wissen! Nach und nach erfuhr ich immer mehr Einzelheiten über die heimtückische Volkskrankheit Schlaganfall, die als dritthäufigste Todesursache in der Bundesrepublik gilt. 250 000 bis 300 000 Menschen wurden damals nach den offiziellen Statistiken jährlich Opfer einer solchen Erkrankung, an der jeder fünfte Patient starb. Nur ein Viertel der Betroffenen wurde überhaupt wieder arbeitsfähig. Darüber hinaus musste man davon ausgehen, dass die Dunkelziffer immens hoch war, denn bei Weitem nicht jeder Schlaganfall wurde auch als solcher diagnostiziert.
    Je mehr ich mich mit dieser Krankheit auseinandersetzte, umso deutlicher wurde mir, mit wie viel Tabus dieses Thema behaftet war. Wen immer ich spontan ansprach, er oder sie zeigte sich eher peinlich berührt. Fast alle dachten, »der Schlag« treffe sowieso nur alte Menschen. Grauenhaft, die Vorstellung, irgendwann einmal mit schiefem Mund, Sprachschwierigkeiten und Lähmungserscheinungen leben zu müssen, sicher. Aber das seien ja wohl Einzelfälle. Ein Problem der Alten also, doch ganz bestimmt kein aktuelles
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