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Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens

Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens

Titel: Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens
Autoren: Liz Mohn
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auch wirklich voran, gehen sie an ihre Grenzen, denn dann sind sie bereit, auch aus eigenen Fehlern zu lernen. Wenn ich etwas nicht wusste, habe ich nicht eher geruht, bis mir ein Experte meine Frage beantworten konnte. Jedes neue Thema war eine eigene Bildungsreise. Denn ein Dialog mit Experten wirft auch wieder neue Fragen auf. Lernen ist ein Prozess ohne Anfang und Ende, es ist das Leben selbst. Ich habe erfahren, dass Lernen glücklich macht. Und ich bin fest davon überzeugt, dass der Wille, lebenslang zu lernen, zu den Schlüsselkompetenzen für die Zukunft gehört. 5
    Neue Erfahrungen motivieren ungemein. Motivation aber lässt neue Motivation entstehen, und einmal erworbene Fähigkeiten rufen neue Fähigkeiten hervor. Im Lernenwollen entfalten wir unsere eigene Persönlichkeit, das Wissenwollen wird zur Glücksformel für das eigene Lebensprogramm. Schritt für Schritt, Projekt für Projekt begann ich auf unseren Auslandsreisen, aber auch daheim in Gütersloh, meine Arbeit auszubauen. Aus einem Dialog mit Experten, aus persönlichen Fragen oder dem spontanen Wunsch zu helfen heraus rief ich eine Reihe von sozialen, kulturellen und medizinischen Projekten ins Leben, aus denen sich nach und nach Hauptbereiche der Bertelsmann Stiftung entwickelten. 6
    Doch nicht nur die großen Themen, sondern auch die zielgerichtete, unmittelbar auf den Nächsten gerichtete Hilfe gehörten und gehören bis heute zu meiner Arbeit. Sie begann in den Jahren 1983 bis 1988 mit der Einrichtung von Patientenbibliotheken in Altenheimen und Krankenhäusern 7 der Region. Bis heute nehme ich mir die Zeit, Altenheime, Frauenhäuser und andere soziale Einrichtungen persönlich aufzusuchen. Für spontane Gespräche, ein
liebevolles Wort oder auch mal gemeinsames Singen muss jeder Terminkalender Platz lassen.
    Auch mein Interesse an Gesundheitsfragen hat manche spontane Idee ausgelöst und spätere Projekte befördert. Während mein Mann sich in freien Stunden viel Zeit zum Nachdenken nahm, griff ich zum Telefon. Bei jedem Thema denke ich zuerst daran, wen ich hier mit wem vernetzen kann, aus welchen Begegnungen das größtmögliche Potenzial erwachsen könnte. Menschen für verbindende Ideen zu begeistern und in einzelnen Projekten zusammenzuführen, bereitete und bereitet mir viel Freude. In den Anfangsjahren der Stiftung lernte ich, dass ich rascher als andere erkannte, wo Initiativen nötig waren, und dass meine spontane und zielgerichtete Verknüpfung von Menschen effizienter funktionierte, als wenn ich den traditionellen Weg durch bestehende Institutionen beschritten hätte. In der Begegnung mit anderen Kulturen, im Austausch mit internationalen Persönlichkeiten habe ich erkennen müssen, wie gravierend die kulturellen Unterschiede zwischen den Völkern und Nationen wirklich sind. Ich habe aber auch erlebt, dass oft schon mit einem Blick oder einer Geste die erste Brücke zu einer tieferen Begegnung und Verständigung gebaut werden konnte.
    Als mein Mann erkannte, wie leicht es mir fiel, auf Menschen zuzugehen und spontan Kontakte herzustellen, die auf offiziellem Wege ungleich schwieriger und langfristiger hätten vorbereitet werden müssen, übertrug er mir schrittweise diplomatische Aufgaben, die ich mit großer persönlicher Freude erfüllte. Nach unserer Eheschließung im November 1982 nahm ich auf Wunsch meines Mannes zunehmend offizielle Termine für die Bertelsmann Stiftung wahr. Mein Mann hatte sich 1981 aus dem operativen Geschäft
der Bertelsmann AG zurückgezogen und wechselte vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsrat. Stärker als in den Jahren zuvor dachte er über die Chancen und Risiken politischer Systeme nach. Er war sich sicher, dass letztlich die Leistung unseres Staates über die Lebensqualität der künftigen Generationen entscheiden würde. Seine eigenen katastrophalen Erfahrungen während des Nationalsozialismus und im Krieg hatten ihm vor Augen geführt, dass die politischen Ordnungssysteme und die Entwicklung der Zivilgesellschaft ohne ethische Gebote und rechtliche Grundlagen in Gewalt und Chaos enden würden.
    Oft diskutierten wir darüber, auf welchen Fundamenten unsere Gesellschaft ihre Zukunft begründen würde. Wir waren uns beide einig, dass das wachsende Ausmaß internationaler Wettbewerbsfähigkeit nicht nur dem einzelnen Bürger mehr Verantwortung abverlangte, sondern
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