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Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schloss der Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
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traf da eindeutig zu.
    Inzwischen war es fast dunkel. Ich fühlte leise Panik in mir aufsteigen. Herr Sander hatte mich gewarnt, abends allein in den Wald zu gehen. Sumpfige Moorlöcher konnten schnell zu einer gefährlichen Falle werden. Außerdem gab es in der Gegend Wildtiere: Rehe, Wildschweine und seit kurzem sogar wieder Wölfe. Und ich traute den Beteuerungen nicht, dass Wölfe völlig harmlos waren – zumindest wollte ich keinem bei Nacht begegnen.
    Nachdem ich, eine Stunde nach Sonnenuntergang, glücklich ins Schloss zurückgefunden hatte, begrüßte mich ein gelbes Post-it an meiner Zimmertür:
    Deine Eltern wollen wissen, wie es dir geht. Bitte ruf sie zurück.
    Ich knüllte den Zettel zusammen und schob ihn in meine Hosentasche. Das musste warten. Das Sekretariat war um diese Zeit längst geschlossen – ich wollte sowieso nicht unter Aufsicht telefonieren –, und ich hatte wenig Lust, noch mal die Gegend zu durchforsten, um herauszufinden, wo mein Handy funktionierte. Außerdem hatte ich mich bereits zweimal bei ihnen gemeldet. Und schließlich war es nicht meine Idee gewesen, so weit von zu Hause weg zu sein.
    Schon während ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete, flogen mir die ersten Federn entgegen: weiche, flauschige Daunenfedern. Der Inhalt eines meiner Kissen lag gleichmäßig über Boden, Schreibtisch und Bett verstreut, und an meinem Rucksack klebte ein weiteres Post-it:
    Wage es nicht, mein Zimmer zu beziehen, bevor die Ferien zu Ende sind, Hannah!
    Hannah? Schön, dass sich wenigstens meine neue Mitbewohnerin um mich kümmerte! Dass ich mich nach dem Chaos, das sie veranstaltet hatte, nicht besonders darauf freuen würde, sie kennenzulernen, war ihr bestimmt klar. Ein unangenehmes Ziehen breitete sich in meiner Magengegend aus. Hatte Hannah – oder wer auch immer – das Post-it an der Tür geschrieben?
    Ich öffnete meinen Rucksack, den ich noch nicht ausgepackt hatte. Er war völlig durchwühlt. Mein Geld war da, aber mein Handy fehlte! Ohne lange darüber nachzudenken, stopfte ich alles zurück, schnappte mir den Rucksack und stürmte aus dem Zimmer. Ich wollte auf keinen Fall, dass sich noch einmal jemand an meinen Sachen vergriff, während ich meine Wertsachen und die Abschiedsgeschenke meiner Freunde in Sicherheit brachte. Zu meinem Spind. Den Schlüssel trug ich seit heute Mittag bei mir.
    Leise eilte ich die Stufen hinab – vielleicht wartete diese Hannah irgendwo, um sich über mich lustig zu machen. Gut möglich, dass ich ihr auch die Überraschung mit der Katze zu verdanken hatte. Kurz bevor ich die Eingangshalle erreichte, hörte ich Frau Schlatter. In Windeseile suchte ich hinter einem der großen Pflanzkübel Deckung. Mit ein paar Mädchen stand sie am anderen Ende des Foyers. Sie unterhielten sich – zum Glück hatte mich keiner gesehen.
    Ich kramte nach einer plausiblen Erklärung, falls sie mich doch bemerkten. Aber wie sollte ich – ohne mich lächerlich zu machen – erklären, warum ich mit meinem vollgepackten Reiserucksack in einer dunklen Ecke kauerte und mich versteckte? Genauer betrachtet, sah es nach Flucht aus. Besser, ich suchte einen geeigneten Platz, an dem ich wenigstens meinen Rucksack unauffällig deponieren konnte, ehe ich das Schloss verließ.
    Wie der Zufall es wollte, sah ich gerade noch rechtzeitig – bevor ich aus meinem Versteck gekrochen kam –, wie ein großer, breitschultriger Junge mit tiefschwarzen, kinnlangen Haarenunter der Treppe auftauchte. Ich duckte mich tiefer hinter die großblättrigen Pflanzen, um ihn zu beobachten – was nicht bloß an seinem ansehnlich geformten Rücken lag. Obwohl ich nur einen kurzen Blick auf sein Gesicht werfen konnte, verriet seine Körpersprache, dass er etwas zu verbergen hatte. Klar, dass mich das interessierte.
    Sobald er verschwunden war – Frau Schlatter und die Mädchen hatten sich inzwischen in den hinteren Teil des Schlosses zurückgezogen –, schnappte ich meinen Rucksack und huschte in die Nische neben der Treppe. Trotz des schummrigen Lichts entdeckte ich schnell ein kleines Loch in der Holzvertäfelung, gerade groß genug, um einen Schlüssel hineinzustecken. Mein Spindschlüssel passte natürlich nicht, doch nach einem kräftigen Ruck sprang mir die Tür entgegen – er hatte wohl vergessen, sie abzuschließen!
    Als die dünne Wandtür zufiel, hüllte mich feuchte Finsternis ein. Es war stockdunkel. Nervös glitten meine Fingerspitzen an der kalten Wand entlang, bis ich den Lichtschalter
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