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Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schloss der Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
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fand. Die beinahe schon antike Glühbirne flimmerte auf – sie schien kurz vor dem Durchbrennen zu sein. Ein alter Wischmopp lehnte verloren in einer Ecke und auf der anderen Seite des Verschlags klaffte ein dunkles Loch – natürlich siegte mein Forscherdrang.
    Eine steile, ausgetretene Treppe führte in die Tiefe. Sie endete vor einer alten, einst reichverzierten Holztür, deren Farbreste ihre vergangene Schönheit nur noch erahnen ließen. Ich wappnete mich, eine große Anzahl unliebsamer Insekten vorzufinden – oder gar pelzige Tiere –, und drückte mutig die Klinke nach unten. Ein großer Raum, unerwartet schön und von einem vergitterten Kellerfenster erhellt, lag dahinter. Überrascht trat ich ein, schloss vorsorglich die Tür und schob meinen Rucksack unter einen der Tische. So würde mir ein wenig Zeit bleiben, um mich zu verstecken, falls der dunkelhaarige Typ wieder auftauchte.
    Neben dem Eingang stapelten sich, außer den Tischen und den dazugehörenden, blau gepolsterten Stühlen, riesige, bunt bemalte Leinwände. Ich hatte offenbar den Abstellraum des Theaterprojekts gefunden. Weiter hinten türmten sich andere Möbelstücke, ältere, verstaubte, manche mit großen, grauen Tüchern abgedeckt, die sicher einmal weiß gewesen waren. Hier konnte ich keinen Schritt wagen, ohne mich in einem der ebenso staubigen Spinnennetze zu verfangen. Doch das störte mich nicht – der Raum hatte mich zu sehr in seinen Bann gezogen.
    Ich trat tiefer ein in das verwirrende Gewühl antiker Schätze und übersah den Gegenstand vor meinen Füßen. Haltsuchend klammerte ich mich an einem der Regale fest – dummerweise an einem recht betagten. Gemeinsam stürzten wir zu Boden. Mein Kopf schlug hart gegen eines der Möbelstücke. Kaum dass ich den Aufprall spürte, wurde mir auch schon schwarz vor Augen.
    Als ich mich wieder aufrappelte, pochte mein Schädel, meine Knie waren aufgeschlagen, auf meiner Schläfe wuchs eine hässliche Beule und in meiner linken Hand steckte ein fieser Holzsplitter. Vor mich hin fluchend, zog ich ihn heraus und ballte meine Hand zur Faust – nicht nur um die Blutung zu stillen –, bevor ich mit zusammengebissenen Zähnen nach der Ursache für meinen Sturz suchte.
    Das Ende einer großen Harfe lugte zwischen dem Gerümpel hervor. Unglaublich! Mein Ärger erlosch augenblicklich. Zu gerne hätte ich Harfe spielen gelernt. Meine Mutter weigerte sich jedoch, nach meinen vergeblichen Versuchen am Klavier, Schlagzeug und Saxophon, ein weiteres Instrument anzuschaffen, das in der Ecke verstauben würde.
    Ich seufzte sehnsüchtig und ließ die Finger meiner unverletzten Hand über die Saiten der Harfe gleiten. Es hörte sich grausam schief an, aber das störte mich nicht.
    Ein kalter Windhauch strich an meinem Gesicht vorbei. Ich zuckte zusammen. Hatte der Typ mich aufgespürt? Erschrockenschaute ich zur Kellertür. Keine Spur von ihm. Stattdessen entdeckte ich einen notdürftig verhängten Spiegel. Vorsichtig zog ich das vergilbte Tuch zur Seite und befreite das Prachtstück – eindeutig venezianische Abstammung.
    Mein Herz jubelte und weinte zugleich. Ich hatte schon immer ein Faible für venezianische Kunst, und dieser Spiegel war etwas ganz Besonderes mit seinem ovalen, mit filigranen Schnitzereien verzierten Rahmen und dem atemberaubenden, weiß gekalkten Engel, der den krönenden Abschluss bildete – und mich an Italien erinnerte.
    Mein Armband blitzte mir im Spiegel entgegen, was mein Heimweh verstärkte. Ich verdrängte das Gefühl. Es war sinnlos, der Vergangenheit nachzutrauern. Meine Eltern wollten, dass ich hier mein Abitur machte, und waren überzeugt, dass ich mich auch auf dem Internat schnell wohlfühlen und Freunde finden würde. Anscheinend hatten sie vergessen, wie schwer es beim letzten Mal gewesen war.
    Das Pochen hinter meiner Stirn verstärkte sich. Dazu gesellte sich ein unangenehmes Schwindelgefühl. Als auch noch die Wände begannen, sich übelkeiterregend schnell im Kreis zu drehen, musste ich mich festhalten, um nicht umzukippen. Vielleicht hatte mein Kopf mehr abbekommen, als er vertragen konnte. Ich sollte mich lieber hinlegen und meine einzigartigen Fundstücke später begutachten.
    So verließ ich, halb benebelt, den Keller, um mich in meinem Zimmer ein wenig auszuruhen. Nur am Rande bemerkte ich den tollen Service – jemand hatte die Federn und leider auch alle Kissen, bis auf eines, beiseitegeräumt und mein Bett frisch bezogen –, da eine dunkle, dumpfe
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