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Schlamm, Schweiß und Tränen

Schlamm, Schweiß und Tränen

Titel: Schlamm, Schweiß und Tränen
Autoren: Bear Grylls
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erinnern, in dem ein Foto von meinen Eltern steckte, und den ich in diesem fremden Haus in diesem fremden Bett fest umklammert hielt. Damals war ich noch zu klein, um zu verstehen, dass
meine Eltern ja bald zurückkommen würden.

    Doch durch diese Nächte habe ich eine weitere wichtige Lektion
gelernt: Lass Deine Kinder nicht allein, wenn sie Angst davor haben
allein zu sein.
    Denn das Leben - und ebenso die Kindheit - ist doch so kurz und
so zerbrechlich.
    In diesen jungen Jahren, die mich immerhin sehr geprägt haben,
war meine Schwester Lara stets mein Fels in der Brandung. In den acht
Jahren nach Laras Geburt hatte meine Mutter drei Fehlgeburten erlitten und war fest davon überzeugt, dass sie keine weiteren Kinder mehr
bekommen kann. Aber dann wurde Mama wieder schwanger und sie
hat mir erzählt, dass sie neun Monate lang das Bett gehütet hat, um sicherzugehen, dass sie nicht wieder eine Fehlgeburt hat.
    Es hat funktioniert. Mama hat mir das Leben gerettet.
    Unterm Strich war sie jedoch vermutlich heilfroh, als sie mich
endlich zur Welt bringen konnte und dass Lara nun ihr lang ersehntes
Brüderchen bekam oder genau genommen ihr eigenes Baby. Schließlich hat Lara alles für mich getan, und dafür habe ich sie regelrecht
vergöttert.
    Denn da meine Mama eine viel beschäftigte „berufstätige" Mutter
war - sie half meinem Vater nicht nur dabei, den Pflichten in seinem
Wahlkreis nachzukommen, sondern auch andere Aufgaben zu erledigen -, wurde Lara quasi zu meiner Ersatzmama. Sie machte für mich
so gut wie jedes Abendessen, das ich jemals zu mir genommen habe -
und zwar von dem Zeitpunkt an, als ich noch ein Baby war, bis ich
etwa fünf Jahre alt wurde. Sie wechselte meine Windeln, sie brachte
mir das Sprechen bei und danach das Laufen (was ich natürlich aufgrund der immensen Aufmerksamkeit, die ich von ihr bekam, wahnsinnig früh lernte). Sie brachte mir bei, wie man sich anzieht und wie
man Zähne putzt.
    Im Grunde genommen hat sie mich dazu gebracht, all jene Dinge
zu tun, die sie sich entweder selbst nicht zutraute, weil sie zu ängstlich
war, oder die sie einfach faszinierend fand, wie zum Beispiel ungebra tenen Frühstücksspeck zu essen oder mit einem Dreirad ohne Bremsen einen steilen Abhang hinunterzufahren.

    Ich war einfach die beste Spielzeugpuppe, die sich meine Schwester überhaupt nur wünschen konnte.
    Das ist auch der Grund, warum wir beide von jeher ein sehr inniges Verhältnis zueinander hatten. Für meine Schwester bin ich nach
wie vor ihr kleiner Bruder. Und dafür liebe ich sie. Doch das große
Problem daran mit Lara aufzuwachsen, war einfach die Tatsache, dass
ich nie auch nur einen einzigen Augenblick meine Ruhe vor ihr hatte.
Bereits vom ersten Tag an - als neugeborenes Baby auf der Entbindungsstation - wurde ich überall herumgezeigt und vor allen möglichen Leuten ganz stolz zur Schau gestellt: Ich war eben das neue
„Spielzeug" meiner Schwester. Und das hörte einfach nie auf.
    Heute kann ich darüber lachen, aber ich bin mir ziemlich sicher,
dass dies der Grund dafür war, dass ich mich so unendlich nach der
Ruhe und Einsamkeit der Berge und des Meeres gesehnt habe, als ich
älter wurde. Ich wollte nicht vorgeführt werden, um irgendjemandem
zu imponieren; ich wollte einfach nur etwas Raum für mich, um mich
bei all dem Tohuwabohu selbst zu finden.
    Es dauerte eine Weile, bis ich herausfand, woher meine große Liebe zur Natur kam; doch um ganz ehrlich zu sein, ich glaube sie ist
vermutlich einerseits aus der engen Vertrautheit erwachsen, die sich
zwischen mir und meinem Vater entwickelte, wenn wir gemeinsam
die Küsten Nordirlands erkundeten, und andererseits aus dem starken
Wunsch, meiner geliebten, aber dominanten älteren Schwester zu entfliehen. (Gott schütze sie!)
    Heute kann ich Lara damit aufziehen, denn trotz allem ist sie bis
heute meine engste Verbündete und beste Freundin geblieben. Lara
war schon immer sehr extrovertiert; sie würde wahnsinnig gern im
Rampenlicht stehen oder allzu gern auf der Couch in einer Talkshow
Platz nehmen; ich dagegen sehne mich eher nach ein paar ruhigen,
gemütlichen Stunden mit meinen Freunden und meiner Familie.
    Kurz gesagt, Lara würde sich sehr viel leichter damit tun, prominent zu sein als ich.
    Sie bringt das sehr treffend auf einen Nenner, wie ich finde:

    Bevor Bear auf die Welt kam, fand ich es einfach schrecklich, ein Einzelkind zu sein - ich habe mich bei Mama und Papa immer darüber
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