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Schlamm, Schweiß und Tränen

Schlamm, Schweiß und Tränen

Titel: Schlamm, Schweiß und Tränen
Autoren: Bear Grylls
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Ort.
    Der kräftige Wind, der vom Meer herüberwehte, und der Geruch
von Salzwasser drang in jeden Winkel des Hauses. Die Wasserhähne
quietschten beim Aufdrehen und die Betten waren so alt und so hoch,
dass ich immer am Bettgestell hochklettern musste, um überhaupt in
mein Bett hineinzukommen.
    Ich kann mich noch gut an den Gestank des alten Yamaha-Außenbordmotors erinnern, mit dem unser fast schon museumsreifes
Holzboot ausgestattet war, das mein Vater bei ruhiger See immer hinunter zum Strand schaffte, um eine Spritztour mit uns zu machen.
Ich erinnere mich auch daran, dass ich durch die Wiesen und Wälder
gestreift bin, wenn überall die Glockenblümchen blühten. Ganz besonders gern bin ich draußen herumgetollt und habe mit meinem Vater Verstecken gespielt; dabei habe ich mich hinter den Bäumen versteckt und mein Vater musste mich immer suchen.

    Ich weiß noch, wie meine ältere Schwester Lara mir mal einen ordentlichen Schubs gegeben hat, sodass ich auf meinem Skateboard die
Einfahrt hinuntergesaust und in den Zaun gekracht bin; oder wie
Oma Patsie und ich gemeinsam das Bett hüten mussten, weil wir beide mit Masern darniederlagen und aus Quarantänegründen ins Gartenhäuschen verbannt wurden, damit wir die anderen nicht auch
noch ansteckten.
    Ich kann mich auch erinnern, dass ich in dem kalten Wasser der
Bucht geschwommen bin und jeden Tag zum Frühstück ein hart gekochtes Ei gefuttert habe.
    Im Grunde war dies der Ort, wo meine Liebe zum Meer und zur
wilden unberührten Natur erwacht ist.

    Doch zum damaligen Zeitpunkt war mir das noch nicht bewusst.
    Die Schulzeit dagegen verbrachte ich Trimester für Trimester in
London, wo mein Vater seiner Arbeit als Politiker nachging. (Die Tatsache, dass meine Mutter ausgerechnet einen künftigen Parlamentsabgeordneten geheiratet hat, wo sie doch durch ihre Mutter Patsie am
eigenen Leib erfahren hatte, welch gefährliche Macht von der Politik
ausgeht, hatte schon irgendwie etwas eigenartig - vielleicht auch nicht
ganz so eigenartig - Ironisches.)
    Als mein Vater das Royal Marines Commando - die Marineinfanterie des britischen Naval Service - nach drei Dienstjahren als Offizier
verließ, heiratete er meine Mutter und arbeitete zunächst als Weinimporteur. Danach führte er ein kleines Weinlokal in London, bevor er
sich schließlich als Kandidat für die Wahl zum Gemeinderat aufstellen ließ und im Anschluss daran für die Wahl zum Abgeordneten für
den Wahlbezirk Chertsey, südlich von London.
    Was allerdings viel wichtiger ist, mein Vater war in erster Linie ein
guter Mensch: Ein freundlicher, großherziger, lustiger und loyaler
Mann, der von vielen geschätzt und gemocht wurde. Doch wenn ich
an meine Schulzeit in London zurückdenke, so fühlte ich mich damals als Heranwachsender ziemlich einsam.

    Mein Vater arbeitete sehr hart und oftmals bis spät in die Nacht,
und da meine Mutter seine Assistentin war, arbeitete sie genauso lange. Diese Zeit war für mich sehr schwer, denn ich vermisste einfach
das Familienleben - Zeit, in der wir gemeinsam etwas unternehmen
konnten, ganz ohne Stress und Termindruck.
    Wenn ich so zurückschaue, dann habe ich mich schon sehr nach einem ausgeglichenen Familienleben gesehnt. Und das ist wohl auch der
Grund dafür, warum ich mich in der Schule so schlecht betragen habe.
    Ich kann mich noch erinnern, dass ich einmal einen Schulkameraden so fest gebissen habe, dass er blutete, woraufhin meine Lehrer
meinen Vater anriefen und sich beklagten, dass sie nicht mehr wüssten, wie sie mir beikommen sollten. Mein Vater versicherte ihnen,
dass er schon wüsste, wie er mir beikommen könnte und kam sofort
zur Schule gefahren.
    Er setzte sich auf einen Stuhl in die Mitte der Turnhalle, versammelte alle Schüler im Schneidersitz um sich herum und versohlte mir
dann so kräftig den Hintern, bis er grün und blau war.
    Am nächsten Tag riss ich mich auf einer viel befahrenen Londoner
Straße von der Hand meiner Mutter los und lief davon, bis die Polizei
mich dann einige Stunden später am Schlafittchen packte. Ich denke
mal, ich wollte Aufmerksamkeit.
    Da ich ununterbrochen Schwierigkeiten machte, sah meine Mutter sich gezwungen, mir Hausarrest zu geben und sperrte mich in
mein Zimmer ein; allerdings plagte sie derweil immer die Sorge, dass
mir womöglich der Sauerstoff ausgeht, weshalb sie einen Schreiner beauftragte, ein paar Luftlöcher in die Tür zu machen.
    Doch wie heißt es so schön? Not macht
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